[Allegro] Wiesenmüller

Thomas Berger ThB at Gymel.com
Di Apr 28 14:56:19 CEST 2015


Lieber Herr Eversberg, liebe Liste,

> Das neu eingeführte Beziehungskennzeichen (relationship designator), $B
> in den SWD-Beispielsätzen, versucht eine Umschiffung des Glatteises,
> indem tatsächlich geschrieben wird:   ... $BVerfasserIn ... u.dgl.
> Man schaue sich Beispiel  hw13-17 an:
> 
>   http://www.allegro-c.de/db/rdademo/ajax3.php?JOB=rda-disp&DBN=13-17
> 
> und jeder denke sich sein Teil oder wende sich an Frau Wiesenmüller.

nun, anhand der Verwechslung von SWD (gibts nicht mehr) und SWB (Stadtwerke
Bonn ohne Binnenmajuskel) denke auch ich mir mein Teil.

Das Problem ist aber ganz interessant und im uebrigen hausgemacht:

Die RDA sehen die Angabe der Funktion vor (RAK/MAB eher nicht, insofern
ist in den Aufnahmen der Bibliotheksverbuende immer noch uneinheitlich,
ob ein "Hrsg." in MAB 100 in "[...]" oder in "¬[...]¬" gesetzt wird),
aber wie ueblich wahlweise als Code oder als Klartext (ob normiert oder
unnormiert weiss ich jetzt nicht, es gibt jedenfalls ein RDA-Vokabular
fuer die Beziehungen).

Im angelsaechsischen gibt es mit Ruecksicht auf die amerikanische Ur-
bevoelkerung, kanadische First Nations, thailaendische Immigranten und
vermutlich noch einige mehr keinen abgeschlossenen Kanon von Geschlechtern
(obwohl sie das Wort nicht haben und daher stets und jederzeit zwischen
"sex" und "gender" unterscheiden muessten), andererseits gibt es auch
kaum geschlechtsspezifische Wortformen. Ich erinnere mich an eine
Autocat-Diskussion, wo die "collective wisdom" auch nur auf "actress"
als /einziges/ Beispiel dafuer kam und dann sofort jemand die Anekdote
beisteuern konnte von einer voellig erbosten Schauspielerin, die
keineswegs "actress" sondern "actor" sein wollte - es scheint da so
aehnlich zu sein wie bei Friseuse vs. Friseurin...

Hierzulande wurde beschlossen, auf jeden Fall mit Codes zu arbeiten
*und* mit Klartextbezeichnungen (mit Ruecksicht auf den Rest der
Welt, der garantiert ohne Codes arbeiten wird). Alles soll aber mit
dem RDA-Vokabular noch kohaerent sein, ausserdem waeren nach
Geschlecht erweiterte Codes ein grosses logisches Problem, denn
eigentich wird ja die Funktion codiert und nicht ihr Traeger. Aus
Arbeitsersparnisgruenden soll natuerlich nichts doppelt erfasst
werden, insofern wurde dann auch beschlossen, dass der Klartext
nichts anderes sagen darf als der Code. Nun gaebe es immer noch
die Moeglichkeit, die Funktionsbezeichnung anhand vom im Normsatz
vorgehaltenen *Daten* zum Geschlecht (eigentlich auch eine GND-
Spezialitaet, andere Normdateien kennen das nicht, entweder weil
scheinbar trivial oder belanglos oder - vgl. die angelsaechische
Praxis oben - zu komplex und anders als Angaben zum Alter die
Persoenlichkeitsrechte zu stark verletztend) geeignet zu setzen
(N.B. allegro-HANS gendert auf diese Weise Anzeige und Indexierung
seit vielen Jahren), aber es wurde fuer D-A-CH festgelegt, dass
die Aufloesung der Codes in Klartext stets auf die gleiche Art
zu erfolgen hat (was da der "Scope" ist, also ob das Binnen-I in
den Katalogisaten von Frau Horny in Wirklichkeit ein RenegatInnen-I
darstellt, weiss ich leider nicht aus dem Kopf).

Fuer mich ist das ein ganz typischer Fall: die RDA regeln an dieser
Stelle m.E. nur, dass ein Sachverhalt (Funktion) wichtig genug ist,
um im Zusammenhang mit dem jeweiligen Agenten festgehalten zu
werden (und zwar inhaltlich kohaerent, der Illustrator-/Begriff/
von agency A und agency B sollte nicht auseinanderklaffen).
Anwendungsregeln zurren das dann aus Gruenden der Einheitlichkeit
fuer ihren jeweiligen Huehnerhof so fest, dass der Status Quo
(Schreibmaschinen und beliebige real existierende Bibliothekssysteme)
jetzt bereits damit klar kommt. Einerseits wird dadurch natuerlich die
Akzeptanz erhoeht bzw. niemand kann unter Berufung darauf, dass
Aenderungen zu teuer werden, ausscheren, schliesslich aendert sich
ja nichts. Andererseits ist dadurch, dass nun auch geregelt ist, was
nicht geregelt werden sollte, jede vernuenftige Entwicklung (damit
meine ich natuerlich "Daten" bzw. deren Nutzung) auf Jahre hinaus
vereitelt und gerade die "Oeffnung", wofuer die RDA-Entwicklung
vorangetrieben wurde, konterkariert...
Drittens ist das aber nicht besonders ueberraschend, denn dass die
RDA an fast allen Stellen auf aeltere Regelwerke "herabgeregelt"
werden koennen (insbesondere AACR2), war ebenfalls Designprinzip.

viele Gruesse
Thomas Berger









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