AW: [Allegro] BITV, barrierefreie Bibliotheken

Thomas Berger ThB at Gymel.com
Do Jul 14 12:30:35 CEST 2005


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Lieber Herr Englert, liebe Liste,


> Um diese Frage nach "ausnahmslos" zu beantworten, muss man wohl die BITV
> selbst zu Rate ziehen.
> 
> http://www.einfach-fuer-alle.de/artikel/bitv/
> 
> Wie jede Vorschrift ist sie nötigerweise erst einmal "global" formuliert.
> Aber es gibt auch dort natürlich Widersprüche in sich selbst und
> Formulierungen, die Hintertürchen öffnen. Ob man sich jetzt gleich durch's
> erste Hintertürchen verabschiedet, oder zuerst versuchten will, die
> Vorschrift zu bevollgen ist sicher eine Entscheidungsfrage. Mein Befehl
> lautet "bevollgen". Der Aufwand steht momentan noch nicht zu Diskussion, er
> ist ja noch nicht einmal grob abschätzbar.
> Um in dieser Lage sinnvolle Entscheidungen treffen zu können, suche ich eben
> betroffene Bibliothekare, die auf der Basis der existierenden BITV und vor
> der Konsequenz, ab 1.1.2006 gegen Dienstvorschriften zu verstoßen, wichtige
> Entscheidungen getroffen haben. Denn dazu mußten sie Argumente abwägen oder
> Lösungen finden, die mir auch helfen würden - wenn ich sie denn hätte :-)))

Ich habe bislang auch erst Zusammenfassungen gelesen.

Ich koennte mir vorstellen, dass die online gestellten Steuerformulare
der Finanzbehoerden auch gewisse Schwierigkeiten haben werden, solchen
Bestimmungen zu genuegen und erst eine umfassende Steuerreform hier
Abhilfe schaffen wird.

Im Hinterkopf sollte man aber behalten, dass es m.E. primaer um
redaktionell betreute Texte geht, nicht um Inhalte von Datenbanken.
Die Alternative waere ja hoechstens, aufgrund der BITV alle
moeglichen Inhalte vom Netz nehmen zu muessen, damit waere insbesondere
der Gruppe der Mobilitaetseingeschraenkten Personen gewiss geschadet.
Bestimmt gibt es auch so etwas wie "Bestandsschutz", und darunter
duerfte auch das alte Prinzip fallen, dass ein Katalogbruch manchmal
schlimmer ist als eine Verletzung der aktuellen Regeln. Ausserdem
sitzen Sie ja nun in der Zwickmuehle: Wenn Sie "Katalogisierung nach
BITV" betreiben, werden sie bibliothekarisch enterbt. Es kann natuerlich
sein, dass der Standardisierungsausschuss am 1.1.2006 geschlossen
in Erzwingungshaft geht, bis eine BITV-konforme RAK 2,5 verabschiedet
ist (Language Tags in Katalogisaten *ist* ein altes Desiderat von mir,
weil es auch der maschinellen Indexierung ausserordentlich foerderlich
ist). Zwischenzeitlich koennten Sie den Aufwand an zusaetzlichen
Planstellen berechnen, der fuer eine kontinuierliche Katalogisierung
nach BITV-konformen Regeln erforderlich ist.
Weitergedacht sollten Sie auch bedenken, dass Sie nun strenggenommen
auf *Ihrem* Volltextserver nur noch BITV-konforme e-Publikationen
Dritter spiegeln duerfen, das Vorhalten nicht-konformer Inhalte muessen
Sie dann wohl an die Privatwirtschaft delegieren. Wie gut, dass Sie
keine Pflichtexemplarbibliothek sind, sonst saessen Sie hier auch in
einer Zwickmuehle.

Es gibt aber haufenweise bedenkenswerte Regelungen zum *Interface*
Ihrer Datenbank (im Gegensatz zu den Inhalten, wobei die Formatierung
und Aufbereitung der Inhalte eine Grauzone sein koennte). Und hier
gibt es auch haufenweise online-Tools (z.B. bei W3C, das entsprechende
Gesetz "Section 508" in den USA ist ja schon etwas laenger in Kraft).
Um die wichtigsten zu nennen:
* Formatierung ausschliesslich ueber CSS
* zweidimensionales Design moeglichst nie mit Tables
* moeglichst XHTML strict, inklusive haufenweise alt-, title- und
  language-Tags
* moeglichst keien Syntaxfehler im HTML
Dies sind alles Dinge, die der Best Current Practice auch im Umgang
mit Nicht-Behinderten entsprechen. Gerade bei aelteren Homepages ist
aber vermutlich ein voelliges Redesign erforderlich, und einen aelteren
Allegro-OPAC auf HTML-Konformanz zu trimmen ist auch eine sehr
aufwendige Angelegenheit (m.E. ebenfalls: am besten wegwerfen und neu
machen).

Herr Schnoepf von der BBAW in Berlin hatte am 20.6. auf dieser Liste
uebrigens auf den Barrierefreien Auftritt der Akademiebibliothek
und ihrer Kataloge hingewiesen, ich glaube nicht, dass dafuer alles
neu katalogisiert worden war.

Fazit (ohne mir jetzt die FAL-Seiten angesehen zu haben):
Es gibt Schlampigkeiten im Web-Auftritt, die schon immer aergerlich
waren und die nun gezwungenermassen behoben werden muessen (was
allerdings fuer viele bedeuten wird, die Homepages nicht mehr wie bisher
zu pflegen, sondern zunaechst eine spezialisierte Fachabteilung bzw.
Agentur zu  beauftragen, die ein Layout entwickelt und eine
Rahmenumgebung aufsetzt, in der die Inhalte dann wieder in eigener Regie
gepflegt werden koennen).

Und es gibt Anforderungen, die die Kernbereiche der Katalogisierung
betreffen, nur zentral ueber Regelwerke umgesetzt werden koennten und
dann in einem Zeithorizont von etwa 50 Jahren maehliche Verbesserungen
bewirken wuerden. Kurz: "Geht nicht!"

viele Gruesse
Thomas Berger
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