Novell oder Linux/Samba?
Martin Butkus
mb at bagheera.thgwf.de
Mo Jun 16 16:52:46 CEST 2003
In message <10FCB9146EF at buch.biblio.etc.tu-bs.de> you write:
Hallo Herr Schock,
> obwohl seltener Gast in dieser Liste, moechte ich trotzdem
> eine Frage loswerden:
als "Frischling" im Team von Herrn Eversberg habe ich die letzten
Wochen auf der Liste mitgelesen. Irgendwann muß man aber mal das
Schweigen brechen, und das hier ist nun ein Thema, zu dem ich
ein bißchen was sagen kann. Bei Allegro trau ich mich doch noch
nicht so recht. :)
Kurz zu meiner Person, ich bin 29 Jahre alt, von meiner Ausbildung
her Physiker, und seit Anfang April für zwei Jahre bei der UB.
Derzeit kümmere ich mich um eine neue Version des Z39.50-Servers,
wie ja auf der Liste bereits angeklungen war.
Mein Studium habe ich durch die Administration von Unix-Servern
finanziert, und kümmere mich auch privat (ehrenamtlich) um das
Rechnernetz meiner ehemaligen Schule, wo wir seit mehreren Jahren
einen Samba-Server als PDC und Fileserver einsetzen, und zwar
für ca. 15 Windows-Arbeitsplätze (und ca. 400 Benutzer).
Von daher kann ich zu Samba ein bißchen was erzählen, kenne
Novell aber nur vom Sehen.
> Bei Novell bleiben oder auf Linux/Samba umsteigen?
Kommt auf Ihre Abenteuerlust, und auf den Einsatzzweck an, möcht
ich meinen. :)
Als File-Server und (bedingt) als PDC ist Samba jedenfalls gut
zu gebrauchen, von der Konfiguration her aber deutlich schwieriger
als sagen wir mal ein Win 2000-Server, und wahrscheinlich auch
Novell (wenn man sich mit dem System schon auskennt).
Im Gegensatz zu Novell, das ja explizit als Fileserver-Lösung
für DOS/Windows konzipiert (und verkauft) worden ist, ist Samba
wenn Sie so wollen eine "Krücke", denn das zugrundeliegende
Betriebssystem (Unix) ist älter als Windows, und hat z.T.
ganz eigene Konzepte.
Samba wurde zu einer Zeit entwickelt, als in größeren Institutionen
Unix weit verbreitet war, und die ersten DOS/Windows-PCs
auftauchten. Oftmals hatte man schon einen File-Server, der
natürlich unter Unix lief, und nun wollte man *zusätzlich*
die Windows-Rechner in die bestehende Infrastruktur einbinden.
Für so etwas ist Samba sehr gut geeignet. Und zwar so gut, daß
die Leute irgendwann den Spieß umdrehten, und sich Linux-Rechner
für den alleinigen Zweck aufsetzen, Samba zu fahren.
Dann kamen auf der Windows-Seite neue Entwicklungen dazu, z.B.
Windows NT mit seinem Domänen-Konzept, und kürzlich Active Directory
unter Win2k. Und natürlich hat Microsoft die Gelegenheit genutzt,
um der Konkurrenz (sprich den Samba-Leuten) das Leben etwas schwerer
zu machen, indem sie gezielt Inkompatibilitäten eingeführt haben.
Das hat die Samba-Leute dazu gezwungen, ein paar häßliche Workarounds
einzuführen (z.b. die zweite Paßwort-Datei, die "smbpasswd"), damit
es trotzdem noch funktioniert.
Der Schwerpunkt in der Samba-Entwicklung liegt mittlerweile darin,
das genau umgekehrte Szenario (einen Unix-Server in eine homogene
Windows-Welt einbinden) möglichst schmerzfrei zu gestalten.
Inzwischen holt Samba auf diesem Gebiet kräftig auf, und Microsoft
setzt seinerseits beim "Active Directory" vermehrt auf Standards
(Kerberos & LDAP), so daß man also hoffen kann, daß es irgendwann
besser (sprich weniger chaotisch) wird.
> Nur Harald Schmid "Folgendes Szenario: Die Katalogdateien liegen auf
> einem Linux-Samba-Server" und Robert Fischer "Arbeitsumgebung:
> Netzinstallattion auf SAMBA-Server als File-Server unter SUSE-LINUX"
> scheinen (als einzige?) Samba zu verwenden.
Naja, wenn man nach den Artikeln in der c't geht, sind es schon noch
ein paar mehr. Allerdings nicht alles Leser der Allegro-Liste. 8)
> Ich tendiere eher dazu (gegen den Trend?) bei Novell zu bleiben,
> denn mit Novell gab es in den letzten 4 Jahren praktisch keine Probleme
Wenn es sonst keine Gründe gibt, einen Linux-Server einzusetzen,
und Sie sich gut mit Novell auskennen, würde ich's Ihnen auch empfehlen.
Wenn Sie aber abenteuerlustig sind und trotzdem mal Samba
ausprobieren wollen, so würde ich auf jeden Fall dazu raten,
erst einmal an einem Testsystem zu üben - u.a. weil die
Konfiguration relativ kompliziert ist, und man leicht
Fehler macht, die zu großen Sicherheitslöchern führen.
Intensives Studium der Dokumentation ist daher Pflicht, und ein
gutes Buch über Samba (z.B. das von O'Reilly) zumindest sehr zu
empfehlen.
> und meine ersten Eindruecke von Samba sind "bescheiden" (es wirkt auf
> mich ziemlich "zusammengefrickelt", verworren und unstrukturiert).
Das erklärt sich wie gesagt durch die Historie, und durch den
vielen "Klebstoff", der nötig ist, um die beiden Welten (Unix und
Windows) zusammenzubringen. Samba ist in hohem Maße professionell,
erledigt aber eine häßliche Aufgabe, und "kann" daher nicht
elegant sein.
> Aber ich lasse mich gerne eines besseren belehren und bin fuer
> Ratschlaege und Erfahrungsberichte dankbar.
Hoffe geholfen zu haben und verbleibe
mfg,
Martin Butkus
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