Diese vs. Jene

Thomas Berger thomas at mpim-bonn.mpg.de
Fr Jul 28 13:49:17 CEST 1995


Frau Tews schrieb:

> Als Knopfdruecker hat man dieses Glueck nicht. Ich kenne Amerikaner
> nur aus Filmen. Jedenfalls bestaetigen die sich (im Film) immer, wie
> gut sie aussehen, wie toll die drauf sind und wie blendend es ihnen
> geht. Jetzt ist mir klar: denen fehlt Befriedigung in der 
> Arbeit, traurig.
> 

Naja, das mag fuer Sie traurig sein, fuer mich im uebrigen auch, aber
Argumente dafuer und dagegen gibt es auch hierzulande:

Die Tendenz geht dahin, Arbeit als etwas laestiges, entfremdetes zu be-
trachten; 'Leben', 'Engagement' etc. findet ausserhalb der Dienstzeiten 
statt. Bei dem Arbeitsklima, das oft vorherrscht, bzw. auch den durch-
aus individuellen Gruenden, warum Leute arbeiten (vielleicht wollen Sie
ja garnicht, zumindest nicht diese Arbeit, aber sie brauchen Geld?) kann
ich den Kollegen verstehen, der nicht auch noch _denken_ will: Es ist 
o.k., dass er die Maschine bedient, das steht auch in seiner Stellen-
beschreibung drin, aber so wichtig ist ihm die Arbeit nicht, dass er
sie in Selbstreflexionen einbezieht oder auch seine Phantasie und Lern-
faehigkeit (Hintergrundwissen verarbeiten) einbringen mag.

So eine Haltung muss man unbedingt respektieren, auch wenn eine Anhaeufung
solcher Personen in der eigenen Umgebung einem die Selbstmotivation er-
schwert. Heutige Computerprogramme muessen auch fuer Knoepfchendruecker
bedienbar sein. 

Es gibt da aber auch die zweite Tendenz, naemlich dass Arbeitgeber
'vorsaetzlich' auf die Suche nach Knoepfchendrueckern gehen: Denkt nur
jeder zehnte mit, werden die Kommunikationsstrukturen viel einfacher
aussehen, da viel weniger Personen beteiligt sind. Fuer die 'Entscheidungs-
traeger' wird die 'Welt' dadurch ueberschaubarer. Knoepfchendruecker sind
einfacher auszutauschen, in einem gewissen Sinne sind sie eine genauso
universelle Maschine wie ihr PC, dessen Knoepfchen sie druecken: Ob 
Buecher oder Steuerbescheide oder Lieferscheine, es ist sich alles gleich.
Diese Arbeitskraefte sind wegen ihrer Verfuegbarkeit auch preiswerter,
das oekonomische Interesse der Arbeitgeber muss man ebenfalls respektieren.
Andere moegen ihre Mitarbeiter sogar eher zum Denken anregen, weil sie
sich vom Engagement an sich und auch den Ergebnissen viel versprechen.

Es gibt also auf Arbeitnehmer- und auf Arbeitgeberseite jeweils zwei
Mentalitaeten (das ist viel komplizierter, da es sich ja um extreme 
handelt, die in unterschiedlichen Graden und auch gleichzeitig in einer
Person / einer Abteilung vorkommen). Beide sind vorhanden und es gibt
auch keine (ausserindividuellen) Gruende, die eine zuungunsten der anderen
abzulehnen. Was man in dem (2 aus 4) Fall tut, wenn der eigene Anspruch
von dem des Umfeldes/Arbeitsplatzes/Arbeitgebers abweicht, hat natuerlich
noch nie jemand beantworten koennen. So entsteht halt Frustration.

Eine andere Frage ist auch, ob man Mitdenker und Hintergrundwisser besser
bezahlen muss. Vielleicht eher schlechter: Im Gegensatz zu den Knoepfchen-
drueckern ziehen sie mehr Befriedigung aus ihrer Arbeit, das 'Schmerzensgeld
fuer entgangene Freizeit' braucht also nicht so hoch auszufallen.

Jetzt ganz am Thema vorbei?

Thomas Berger



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