[Allegro] MARC21-XML 700 als EST / bevorzugter Titel eines Werkes

Thomas Berger ThB at Gymel.com
Do Feb 4 17:34:38 CET 2016


Lieber Herr Eger, liebe Liste,

>> Ich habe hier einen Datensatz, in dem steht:
>>
>>     <controlfield tag="001">106110222X</controlfield>
>> ...
>>     <datafield tag="700" ind1="1" ind2=" ">
>>       <subfield code="a">Ledig, Agnes</subfield>
>>       <subfield code="t">Juste avant le bonheur</subfield>
>>       <subfield code="g">dt.</subfield>
>>     </datafield>
>> ...
>>
>> was nach Vorlage der EST bzw. RDA 6.2.2 ist.
>>
>> Ich verstehe nicht, weshalb hier nicht MARC 130 oder MARC 240 
>> verwendet wird.

zweiter Versuch einer Antwort, diesmal anhand von RDA-Aufnahmen:


> MARC 240 als "uniform Title" kommt eher unserem Ansetzungstitel
> MAB 310 nahe, nicht dem EST MAB 304. Nutzung wohl eher in
> Situationen, wo bereits das franzoesische Original unter
> verschiedenen Titeln bekannt geworden ist.


< http://d-nb.info/1069000302 > ist die Druckausgabe der
Uebersetzung von Waltraud Schwarze des juengsten Romans von
Fred Vargas, und dazu gibt es eine "gekuerzte Lesefassung"
< http://d-nb.info/1069175056 > gesprochen von Hannelore Hoger.

Beide Datensaetze sind in 040 als "RDA" gekennzeichnet (und beide
gibt es sowohl physisch als auch als elektronische Ressource mit
eigener Aufnahme: Insgesamt vier Manifestationen also in der
DNB zu zwei Expressionen eines Werks). Die elektronischen
Versionen sind allerdings noch nicht als "rda" gekennzeichnet.

In den DNB-Aufnahmen wird dies lapidar als

    <datafield tag="240" ind1="1" ind2="0">
      <subfield code="a">Temps glaciaires</subfield>
    </datafield>

abgehandelt. Allerdings sind die Sprachen deutlich gekennzeichnet:

    <datafield tag="041" ind1=" " ind2=" ">
      <subfield code="a">ger</subfield>
      <subfield code="h">fre</subfield>
    </datafield>

Also: Sprache der Manifestation ist Deutsch, Sprache des Originals
(also des Werks) ist Franzoesisch.

Sowohl Uebersetzerin als auch (beim Hoerbuch) die Sprecherin sind
angesetzt, mit Normdaten verknuepft und vor allem mit normierten
Funktionsbezeichnungen und Codes dafuer:

    <datafield tag="700" ind1="1" ind2=" ">
      <subfield code="0">(DE-588)120047713</subfield>
      <subfield code="0">(uri)http://d-nb.info/gnd/120047713</subfield>
      <subfield code="0">(DE-101)120047713</subfield>
      <subfield code="a">Hoger, Hannelore</subfield>
      <subfield code="d">1942-</subfield>
      <subfield code="e">Erzähler</subfield>
      <subfield code="4">nrt</subfield>
    </datafield>
    <datafield tag="700" ind1="1" ind2=" ">
      <subfield code="0">(DE-588)138002363</subfield>
      <subfield code="0">(uri)http://d-nb.info/gnd/138002363</subfield>
      <subfield code="0">(DE-101)138002363</subfield>
      <subfield code="a">Schwarze, Waltraud</subfield>
      <subfield code="e">Übersetzer</subfield>
      <subfield code="4">trl</subfield>
    </datafield>

Die Beziehungen sind groesstenteils implizit oder ueber 77X abgedeckt
(mit Vorsicht, da wie gesagt noch allerhand nicht-RDA-Aufnahmen dort
herumspuken):

    <datafield tag="776" ind1="0" ind2="8">
      <subfield code="i">Druckausg.</subfield>
      <subfield code="z">978-3-8371-3197-0</subfield>
    </datafield>
("Druckausg." meint die 6CD des "physischen" Hoerbuchs...)

    <datafield tag="776" ind1="0" ind2="8">
      <subfield code="i">Erscheint auch als</subfield>
      <subfield code="n">Online-Ausgabe</subfield>
      <subfield code="a">Vargas, Fred</subfield>
      <subfield code="t">˜Dasœ barmherzige Fallbeil</subfield>
      <subfield code="d">München : Limes Verlag, 2015</subfield>
      <subfield code="h">Online-Ressource</subfield>
      <subfield code="w">(DE-101)107779956X</subfield>
    </datafield>


    <datafield tag="776" ind1="0" ind2="8">
      <subfield code="i">Druckausg.</subfield>
      <subfield code="z">978-3-8090-2659-4</subfield>
    </datafield>

Frau Wiesenmuellers Lehrbuch entnehme ich, dass das alles so in Ordnung
geht: Nur zwei der moeglichen Beziehungen sind Kernelemente, naemlich
die von Manifestation zur jeweiligen Expression und von Expression zum
jeweiligen Werk, und das geht alles implizit:
Die Hoerbuchaufnahme sagt

    <datafield tag="336" ind1=" " ind2=" ">
      <subfield code="a">gesprochenes Wort</subfield>
      <subfield code="b">spw</subfield>
      <subfield code="2">rdacontent</subfield>
    </datafield>
    <datafield tag="337" ind1=" " ind2=" ">
      <subfield code="a">audio</subfield>
      <subfield code="b">s</subfield>
      <subfield code="2">rdamedia</subfield>
    </datafield>

und kann daher nicht mit dem Druck verwechselt werden und ansonsten
wird ja die Uebersetzerin "mitgenommen" um auch fuer zukuenftige
Neuuebersetzungen es (= die zugehoerige Expression) eindeutig
identifizierbar zu halten.

Allerdings /koennten/ die Bezuege zwischen der deutschen
Uebersetzung, die dem Hoerbuch in gekuerzter Form zugrunde
liegt, ueber 787 explizit gemacht werden (vgl. die Ausarbeitung
zum RDA-Anhang J <
https://wiki.dnb.de/download/attachments/106042227/AH-018.pdf?version=2&modificationDate=1441962229000&api=v2
>, das
scheint so aber nicht genutzt zu werden, ist moeglicherweise
massiveren Bearbeitungen oder Adaptionen vorbehalten.


Ein anderes Beispiel:

So fängt das Schlimme an : Roman / Javier Marías ; aus dem Spanischen
von Susanne Lange


< http://d-nb.info/1070210552 > verknuepft hier in 240:

    <datafield tag="240" ind1="1" ind2="0">
      <subfield code="0">(DE-588)1077920911</subfield>
      <subfield code="0">(uri)http://d-nb.info/gnd/1077920911</subfield>
      <subfield code="0">(DE-101)1077920911</subfield>
      <subfield code="a">Así empieza lo malo</subfield>
    </datafield>
(was man sehr schoen daran sieht, dass im DNB-Portal in der Kurzanzeige
[Marias] und nicht [Así empieza lo malo] ueber die Aufnahme gesetzt
wird), dabei ist der GND-Satz < http://d-nb.info/gnd/1077920911 >
der fuers Werk

    <datafield tag="100" ind1="1" ind2=" ">
      <subfield code="a">Marías, Javier</subfield>
      <subfield code="d">1951-</subfield>
      <subfield code="t">Así empieza lo malo</subfield>
    </datafield>

[die 100 im Authority Format kann - so wie die 700 im Bibliographischen
Format) mehr als nur die Angaben zur Person speichern, dass dann
"trotz" Verknuepfung eine Authority-700 als Bibliographic-240
genutzt werden kann (oder nicht kann) geht klar: MARC geht davon
aus, dass der Text erfasst ist und es duerfen Nummern als $0
dazugeschrieben werden, irgendwelche "Einblendungen" von Content
aufgrund von "Verknuepfungen" (wie es das DNB-System offensichtlich
tut, wie man am Entgleiser erkennt) sind kein Bestandteil des Formats,
also jedermanns Privatangelegenheit.]

Im Prinzip identisch erfasst ist die Buchclubausgabe
< http://d-nb.info/1081460466 >, letzten Monat wurde ja klargestellt,
dass "Lizenzausgabe" nun doch als indikativ fuer eine eigenstaendige
Ausgabe angesehen werden soll)

Auch hier gibt es e-Book (Januar 2016 katalogisiert) und Audiobook
(evtl. vor der RDA-Einfuehrung katalogisiert), beide sind nicht
als "RDA" gekennzeichnet und auch nicht mit dem Normdatz verknuepft.
Das e-book stellt immerhin den Bezug zur Druckausgabe her:

    <datafield tag="776" ind1="0" ind2="8">
      <subfield code="i">Druckausg.</subfield>
      <subfield code="z">978-3-10-002429-9</subfield>
    </datafield>
    <datafield tag="776" ind1="0" ind2="8">
      <subfield code="i">Erscheint auch als</subfield>
      <subfield code="n">Druck-Ausgabe</subfield>
      <subfield code="a">Marías, Javier, 1951-</subfield>
      <subfield code="t">So fängt das Schlimme an</subfield>
      <subfield code="d">Frankfurt am Main : S.  Fischer, 2015</subfield>
      <subfield code="h">638 Seiten</subfield>
      <subfield code="w">(DE-101)1070210552</subfield>
    </datafield>

und

    <datafield tag="776" ind1="0" ind2="8">
      <subfield code="i">Erscheint auch als</subfield>
      <subfield code="n">Online-Ausgabe</subfield>
      <subfield code="a">Marías, Javier, 1951-</subfield>
      <subfield code="t">So fängt das Schlimme an</subfield>
      <subfield code="d">Frankfurt am Main : FISCHER E-Books,
2015</subfield>
      <subfield code="h">Online-Ressource</subfield>
      <subfield code="w">(DE-101)1079319840</subfield>
    </datafield>


(erfasst werden duerfte wohl in ILTIS nur der Code fuer $i und die
Verknuepfungsnummer)

Fazit: Letztendlich ist die Katalogisierung unter RDA-Bedingungen
"schlanker" geworden: Die Sprache der Manifestation ist zwingend,
und die des Originals auch, damit braucht man nur den Originaltitel
von der Vorlage zu entnehmen und in MARC 240 zu versenken, und
den Uebersetzer als solchen kennzeichnen, den Rest regelt der
Katalog. Und aus die Maus.

Man muss bedenken, dass Funktionsbezeichnungen in den bisherigen
Regelwerken nicht vorgesehen waren, uebrigens auch in MAB nicht,
auch wenn es da seit einigen Jahrzehnten(!) eine sogar halbwegs
einheitliche(!!) Praxis in allen(!!!) Verbuenden gab. Und in
den RDA laesst sich jede Funktionskennzeichnung eindeutig einer
der Ebenen Werk/Expression/Manifestation/Item zuordnen (in den
D-A-CH wird allerdings nivelliert, "Komponist" bzw. "cmp"
differenziert nicht zwischen Werk und Expression und ich habe
noch nicht durchdacht, ob das nicht letztlich verhaengnisvoll
ist), so dass man auch ohne explizite Verknuepfungen in der
Lage ist, den Werk- oder Expression-Kern einer Aufnahme
zu extrahieren und mit dem anderer Aufnahmen zu vergleichen.

Da man sich entschieden hat, keine eigenen Datensaetze fuer
Expressionen anzulegen (LCNAF sieht dies anders) und auch
fuer Werke nicht regelhaft (gluecklicherweise aber fuer
Personen), hat man im Katalog auch nicht unbedingt eine
Stelle, an die ein Benutzer navigieren kann um dort dann
alle "zugehoerigen" Varianten und Ausgaben aufgelistet
zu bekommen. Es sei denn, man mutet dem Benutzer Browsing
zu (LoC tut dies extensiv), das ist (mit Ruecksicht auf
Systeme die das nie konnten?) aber schon vor Jahren als
benutzerunangemessen und tot erklaert worden. Browsing
hat aber auch den Nachteil, dass dafuer die exzessiven
eindeutigen "Ansetzungen" nach amerikanischer Tradition
erforderlich sind, die hatten wir hier nie, da wir
verknuepfen konnten, sind aber mit RDA auch hierzulande
eingefuehrt worden.

"Horizontale" Verknuepfungen /zwischen/ verschiedenen
Manifestationen (etwa zur gleichen Expression) sind eigentlich
aus Benutzersicht ganz nett, da alles mit allem verknuepft
werden muss, stoesst das beim Katalogisiern aber schnell
an Grenzen: kommt zu n vorhandenen Manifestationen eine
n+1te hinzu, so muessen darin n und in den vorhandenen jeweils
eine, zusammen also 2n Verknuepfungen ergaenzt werden...
Fuer die gezielte Datenuebernahme ist es auch nicht
praktisch, es sei denn man entwickelt Techniken, mit denen
es egal ist, ob eine Verknuepfung "lokal" oder nur
"irgendwie global" abgedeckt ist.

Alles in allem kann ich sehr gut verstehen, dass nach der
"Anwendung" des Modells FRBR in das Regelwerk RDA (das
aber nicht vor allem "moderne" Erkenntnisse umsetzen sollte
sondern die doppelte Print-Lastigkeit der vorhandenen
Regeln ueberwinden musste) und dessen Modifikation durch
D-A-CH-Aus- und Festlegungen und der Umsetzung in MARC
oder sogar die Lokalformate PICA und ASQ-MAB normalerweise
nicht mehr ganz klar ist, was das ganze eigentlich soll,
so geringfuegig oder tautologisch scheinen die meisten
Aenderungen. Dahinter steckt m.E. aber, dass man in den
letzten Jahrhunderten im Prinzip durchaus das Richtige
gemacht hat bei der Beschreibung der Ressourcen, naemlich
vor allem im Bestimmen des Verzeichnungswerten, aber auch
im Sammeln von Erfahrungswerten fuer das in den gegebenen
Umstaenden Leistbare. Es gibt aber verschiedene Methoden,
das Verzeichnenswerte tatsaechlich aufzuzeichnen, wobei
es nicht nur um das "Wie" geht, sondern auch um Auslassungen:
Bei der Auseinandersetzung mit der Vorlage im Zuge der
Katalogisierung baut der Katalogisierer ja ein enormes
Wissen in seinem Kurzzeitgedaechtnis auf, davon geraet nur
ein kleiner Teil auf die Karteikarte (und traditionelle
Datensaetze sind kaum mehr als die Karteikarte, alles
was darauf nicht passte versuchte man nach Moeglichkeit
zu vermeiden, es war ja anscheinend nicht notwendig, siehe
Regelwerk) Letztlich hat man erkannt, dass der Extrakt,
der sich im Datensatz niederschlug, sich nur umfassend
gebildeten Personen mit langer Bibliothekspraxis erschloss,
also nur einem kleinen Teil der Zielgruppe. Und daher
versucht das neue Regelwerk, mit Abkuerzungen, Auslassungen
und v.a. den Implizitheiten ("ich weiss dass der Drucker
der Drucker ist und nicht der Verleger und ich weiss, dass
kein Verleger ermittelbar ist, daher mache ich den
Drucker zum Verleger und spare dadurch erstens zwei
Klammerzeichen und vermeide Verwirrung bei den Ignoramussen
die den Drucker fuer den Verleger halten dabei weiss doch
wirklich jeder, der die Druckgeschichte Norditaliens auch
nur ein bisschen studiert hat, dass X nie Verleger war")
aufzuraeumen. Erwuenschter Nebeneffekt ist dabei, dass
die Daten nun so deutlich erfasst werden, dass sogar
Computer damit umgehen koennen (auf traditionelle Weise,
in Datenbanken, mit Data-Mining-Techniken wuerde es
bei genuegender Rechenkapazitaet vielleicht auch ohne
gehen, aber wer hat schon eine Serverfarm im Keller und
trainiert die mit ein paar Milliarden Titelaufnahmen um
damit einen Katalog von ein paar Tausend Aufnahmen aufzubauen).

viele Gruesse
Thomas Berger





Mehr Informationen über die Mailingliste Allegro