[Allegro] Der Blick nach vorn: 2. Migration - Wann, wohin und wie?

Bernhard Eversberg ev at biblio.tu-bs.de
Do Jun 12 11:02:57 CEST 2014


Der Blick nach vorn: 2. Migration - Wann, wohin und wie?

Der erste Teil, "Das Umfeld", war nur gedacht, die Trends der Zeit
zu beleuchten, falls sie evtl. den einen oder anderen Anwendern
nicht ganz geläufig sind, jedoch das Potential in sich bergen, Gedanken
an eine Migration weg von allegro sprießen zu lassen. Natürlich sind
diese Trends nicht die einzigen Beweggründe, aus denen heraus solche
Gedanken entspringen können, und vielleicht sind sie im konkreten Fall
nicht einmal die wichtigsten.

Das Wichtigste für unsere Anwender ist, um das ganz klar zu sagen:
Nur keine Panik! Nichts ist zu spät. Klarheit zu schaffen ist im Moment
das Ziel, und nur Klarheit ist zur Stunde wichtig, noch nicht konkretes
Kümmern oder gar hektisches Handeln.

Nun aber zur eigentlichen Sache, die nicht lautet "Migration, ja oder
nein?", sondern "Wenn ja, dann wann, wohin und wie?"


Wann?
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Die im Teil 1 umrissenen Megatrends werden in eher mehr als weniger
Fällen während des kommenden Jahrfünfts die Motivation zu einer
Migration aufkeimen lassen, wo sie bisher noch nicht vorhanden ist.
Der zeitliche Aspekt der Entscheidung ergibt sich aber nicht unbedingt
aus der Sache selbst, sondern u.U. aus übergeordneten Überlegungen und
Notwendigkeiten, die, evtl. "politisch" motiviert, das "Ja" zuerst
begründen. Vor allem ist hier der Verbundbeitritt zu nennen, der in
etlichen Spezialbibliotheken schon eine Migration angestoßen hat.
(Ein Beweggrund wie dieser kann die Antwort auf das "Wohin?" also schon
vorwegnehmen.)
Von der Sache her, zumindest von der Frage "Quousque tandem?" ("Wie
lange wird man mit allegro noch arbeiten können?"), ist eine Migration
keineswegs dringend. Die jetzt vorliegende Version V34.2 kann
bis mindestens 2020 auf Windows-Systemen problemlos arbeiten, unter
Linux wohl durchaus noch länger. Die Offenheit der Quellen stellt
immerhin sicher, daß eine spätere Kompilierung für z.B. neue Linux-
Versionen im Bereich des Möglichen bleibt. Aber auch Microsoft wird
nach aller Erfahrung die Kundschaft nicht dergestalt verprellen
können, daß ab 2021 plötzlich nichts mehr geht. (PRESTO, so ist zu
erinnern, geht auch unter Win'7/64 in der sog. DOSBox immer noch.)
Klug wird's natürlich sein, der Frage "Wann?" vor 2020 nachzugehen.


Wohin?
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Verbundbeitritt mal beiseite, wird die Entscheidung für ein anderes
System erschwert durch den Mangel an Information über solche Systeme,
aber auch durch die geringe Zahl der Alternativen, die umso kleiner
ist, je weniger Geld dafür zur Disposition steht. Und, wie im Teil 1
begründet, scheint die Zahl der Alternativen auch kaum zu wachsen.
Mißlich ist seit langem und bleibt, daß es keine Marktübersicht, d.h.
keinen neutralen Vergleich gibt. Oder kennt jemand da etwas?

Womöglich kommt's aber so, daß irgendwann die CBI ("Cloud-basierte"
Infrastruktur) einfach alles aufsaugt und Lokalsysteme mit irgendeinem
Grad von Autonomie vollkommen unattraktiv werden, nur noch alt aussehen
und folglich ganz aussterben.
Vollkommen wird dann freilich auch die Abhängigkeit vom Internet,
aber schon jeder Google-Nutzer, also jeder, ist ohne dessen verläßliche
Präsenz ohnehin verloren. (Das bewerte man auf beliebige Weise, hier
ist kein Forum für Kultur- und Weltanschauungsfragen.)
Zu Ende gedacht, kann es auch sein, daß physische Bestände jeder Art
unattraktiv werden, weil irgendwann "alles" online sein wird und
die Zugänge zu "allem" sich weiter dramatisch verbessern und
verbilligen. Dann würde vieles sich erübrigen, auch Bibliotheken.
Versteigen wir uns aber nicht in Spekulationen, wann die CBI zu einem
solchen Wolkenkuckucksheim werden könnte, bleiben wir im Moment noch
unten, auf dem Teppich. Und da ist es aus den genannten Gründen
entspannend, daß kein Grund für eine hektische Suche besteht. Die
Pläne für die CBI, auch das ist beruhigend, sagen es ausdrücklich,
daß Bemühungen um Migrationspfade für existierende Systeme geebnet
werden sollen, und allegro ist dabei auch genannt.


Wie?
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Notwendig ist in jedem Fall, daß die vorhandenen Daten einem anderen
System in einer Form überreicht werden, die es vereinnahmen kann.
Die allegro-Exportschnittstelle ermöglicht vielfältige und sehr
differenzierte Umwandlungen, etwa auch in Formaten wie MAB2, MARC21
oder Schemata mit diversesten XML-Auszeichnungen, in einfachsten
Fällen auch als CSV-Dateien. Dank FLEX ist es heute auch denkbar,
die Komplexität der Exportsprache ganz zu umgehen, die immer
für uneingeweihte Programmierer eine hohe Hürde gewesen ist.
Die Schwierigkeiten mit dem Titelmaterial werden u.U. übertroffen
von denen mit Erwerbungs- und Ausleihdaten, weil für diese schlichtweg
keine Standards existieren und ein anderes System daher vollkommen
andersartige Mittel, Muster und Methoden kennt. Aber auch diese
Datenarten lassen sich mit FLEX gut exportieren; die wahren Probleme
lauern dann am ehesten in den Methoden, in den "Workflows" des
anderen Systems. Da wird in jedem Fall nicht nur Umstrukturieren
angesagt sein, sondern in einigem Umfang auch Umlernen und Umgewöhnen.

Wenn man nun weiß, daß Migrationen über die Jahre schon in nicht
ganz geringer Zahl erfolgt sind, dann fragt man sich, ob und wo
Information über die dabei angefallenen Erfahrungen publiziert wurde
oder zu finden ist. Die Vorgehensweise bei vollzogenen Umstiegen
und die dabei aufgetretenen Probleme könnten wertvolle Hilfen für
solche Vorhaben sein. Klar ist: wer eine Migration hinter sich hat,
der findet sicher nicht sofort die Zeit, einen Erfahrungsbericht
zu verfassen! Der wird erst einmal entspannen wollen und die neuen
Vorzüge genießen. Und alsbald ist man eben richtig angekommen dort,
wo vorher "vorn" war, so daß der Blick zurück kaum mehr als ein wenig
Nostalgie noch auslösen mag, wenn überhaupt. Nicht aber den Impetus,
über das Erlebte und Bewältigte noch zu berichten - im eigenen Umfeld
wird dies sowieso keinen mehr interessieren.
Weil aber anderswo das Interesse durchaus bestehen kann und auch
sehr berechtigt ist, deshalb nun zum Schluß die Frage:


   Weiß jemand etwas über Erfahrungsberichte von Migranten oder kann
   aus eigenem Erleben oder Erzählungen anderer etwas beitragen?
   Wo lagen die ganz dicken Stolpersteine, wie konnte man sie bezwingen,
   wie sieht die Gewinn- und Verlustrechnung aus, wozu würde man
   raten, wovon abraten, und dergleichen mehr.


Zum guten Schluß:
Zum Glück gibt's außer "Braunschweig" auch einige Supporter, die gern
mit Rat und Tat beispringen - und vielleicht auch zu der eben
formulierten Frage etwas sagen können!? Wer verunsichert ist oder noch
Klärungsbedarf sieht, oder nicht weiß, wo konkrete Hilfe zu finden
ist, kann sich auch an mich direkt wenden. Je nach Sachlage leite
ich Fragen evtl. dann anonymisiert an das Forum weiter.

Aber nochmal: Keine Panik! Niemand muß sofort irgendwie aktiv werden.
Wir wollten nur frühzeitig das Problemfeld als solches mal ansprechen,
angestachelt durch die virulenten Aktionismen, wie sie sich auf
Bibliothekartagen, wie nun eben in Bremen, ins Bewußtsein drängen.

B.Eversberg





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