[Allegro] Der Blick nach vorn : 1. Das Umfeld
Thomas Berger
ThB at Gymel.com
Mi Jun 11 15:53:26 CEST 2014
Lieber Herr Eversberg,
>>> 3. Die Sammeltätigkeit der Bibliotheken geht über physische Objekte
>>> immer weiter hinaus:...
>>
>> Das Wort "Erschliessung" - nach meiner Erinnerung und ohne Ironie
>> auch in Bibliotheken nicht ganz unueblich - hat stets mehr bedeutet
>> als "Katalogisierung" und auch "access" ist in einem ziemlich breiten
>> Sinn gemeint....
>
> Vollumfänglich richtig. Nur, was ist Ihr Fazit? Wie weit liegen die
> Bibliotheken neben der Spur und speziell wir mit allegro? Und was wäre
> zu tun, speziell für allegro? Sehen Sie, neben mengenweise Umdenk- und
> Handlungsbedarf, irgendwelche nicht ganz aussichtslosen Stoßrichtungen
> für zielführendes, nachhaltiges Vorgehen? Oder aber sehen Sie Argumente
> gegen oder für eine Abkehr von allegro bzw. Hinwendung zu neuen Gipfeln
> oder Gestaden, verkörpert durch exitierende oder sich abzeichnende
> Alternativen? Darum ging's uns doch, mehr nicht...
Immer langsam mit den jungen Pferden... Das waren ja erst einmal die
allgemeinsten Ihrer Punkte und darueber hinaus haben Sie ja auch noch
eine Fortsetzung angedroht.
Momentan soll das Fazit sein, dass ich mit der Kritik an den Regelwerken
und den Datenformaten durchaus uebereinstimme, und auch an der formulierten
Richtung, in die es gehen soll. Wobei ich z.B. Schwierigkeiten habe, in
der aktuellen konkreten RDA-Entwicklung diese formulierten Richtungen
ueberhaupt noch wiederzufinden: Ploetzlich geht es wieder um den
Aufbau strukturierter Ansetzungszeichenketten fuer dies und das sowie
um Ueberlegungen, wie sich der Regeltext so interpretieren laesst, dass
gewisse Nebeneintragungen legitimiert oder gar erzwungen werden, die
ich als notwendig erkannt habe - da waren die spaeteren Ergaenzungen
der RAK bereits irgendwie "entspannter"...
Knapp:
* Ich halte den ICP (Neuauflage der "Paris Principles") fuer durchaus
solide <
http://www.ifla.org/publications/statement-of-international-cataloguing-principles
>. D.h. wir reden international durchaus ueber
dieselben "Entitaeten" und haben im Zusammenhang mit Katalogisierung
durchaus einheitliche Einschaetzung ihrer Wichtigkeit.
* Teilweise Losloesung von der "Vorlage", also klarere Trennung der
"manifestation"-Ebene vom "Inhalt" ist wichtig: Bei der Sacherschliessung
hat das schon immer geklappt, und wir haben heutzutage nicht mehr die
Situation, wo Paperbacks nur aus Versehen erworben wurden und Gross-
Schriftausgaben die Ausnahme sind, sondern mit eBooks in verschiedenen
Formaten und Digitalisaten ueber verschiedene Kanaele /muessen/ wir die
Dinge im Katalog irgendwie zusammenbringen. Bzw. nicht "irgendwie":
Verschiedene Dinge muessen auch unterscheidbar bleiben, wenn ich
frueher versehentlich die Grossdruckausgabe oder ein Readerprinter-
Ausdruck zur Ausleihe angefordert hatte, konnte ich damit leben, habe
ich hingegen ein eBook im falschen Format requiriert, gibt es keine
Loesung.
* Kein Regelwerk wird alles abdecken. Weder jegliches Material in
der Bibliothek (geschweige denn in "benachbarten" Abteilungen),
noch jegliche Erschliessungsanforderung. Dennoch muessen sich
Datensammlungen sogar spartenuebergreifend (ich erwaehnte vorhin
Bibliothekskataloge und Bibliographien, oder Bibliothek und
Archiv) fuer Recherchen zusammenkoppeln lassen. Nicht aufgrund
des eigenen Bestands zustandegekommene Beschreibungen muessen
dabei /verstehbar/ sein, dass sie aus einem fremden Erschliessungs-
kontext stammen (Verlegerdatenbanken, Archivalien, ...) muss
notfalls(???) auch dem Benutzer vermittelt werden, scheinbare
Brueche in der Erschliessungsweise haben ja meist einen Sinn.
Ueberleitungen in die jeweiligen Herkunftssysteme anzubieten
ist nie verkehrt, die Fixierung auf intergalaktische Einheits-
katalogsiate ist eine rein bibliothekarische Marotte, unsere
Benutzer hingegen kennen auch dialektische Lebenswirklichkeiten...
* "Linked Data" ist der Schluessel. "Autopsieren" duerfe unter RDA-
Bedingungen deutlich arbeitsaufwendiger sein als bislang und ist
immer nur die zweitbeste Loesung: Es entsteht dabei ja ein voellig
unabhaengiges Datenobjekt, das dann erst mit den bekannt kruecken-
haften Mechanismen wie ISBN mit analogen Beschreibungen an anderen
Orten in Verbindung gebracht werden muss. Bzw. wenn die Beschreibung
einer "Vorlage" meherere kleinteiligere Objekte involviert (Werk
und Manifestation, Personen und Koerperschaften, evtl. noch
angebundene Werke) muessen die alle einzeln zur Deckung gebracht
werden - wer einmal versucht hat, sich per Fremddatenuebernahme
ein MBW zusammenzustoppeln inklusive der notwendigen Umverknuepfungen
fuer das eigene System kann evtl. ahnen, was das fuer ein Krampf wird.
/Bezuege/ zwischen Datensaetzen (oder Teilen davon) muessen ganz
klar maschinenlesbar formuliert sein, so ein Murks wie derzeit
etwa mit zusammengebundenen Alten Drucken zusammengestoppelt wird,
geht einfach nicht (ging noch nie, aber solange jeder Datensatz
ein eigenes Universum fuer sich bildete ging es wohl auch nicht
anders).
* "Kuratierung" ist die Aufgabe der Zukunft: "Datensaetze" werden immer
wieder veraendert werden, ich muss sie als Teile gewisser Sammlungen
auffassen, die dann en bloc aktualisiert werden koennen - bzw. in
Teilen davon. Bzw. sie kommen gar nicht ins Haus, sind aber dennoch
irgendwie meine: Auch eine Feld-Wald-und-Wiesenbibliothek kann sich
aus den Nationallizenzen ein paar hundert fuer den eigenen "Bestand"
geeignete Titel aussuchen und in der ZDB eintragen, nachgelagert sollten
dann Recherchen in genau dieser Sammlung in das eigene Rechercheinstrument
einbindbar sein.
viele Gruesse
Thomas Berger
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