[Allegro] Noch mal ISBN geh.

Thomas Berger ThB at Gymel.com
Mi Feb 20 10:09:49 CET 2013


Lieber Herr Eversberg, liebe Liste,


> werden. "Das habt ihr nun davon!" als unüberhörbarer Oberton, wo man
> zumindest eine aus der Analyse abgeleitete Lösungsskizze sich erhofft,
> und allemal in einem OpenSource-Anwendungsumfeld auch erwartet.

Nun, es koennte sein, dass ich unrecht habe, schliesslich katalogisiert
die Mehrheit nach "Verbundregelwerk", und die koennten sich ueber
RAK-WB §164 hinwegsetzen bzw. anders damit umgehen ("Auf die Hinzufuegung
von Erlaeuterungen zur ISBN wird verzichtet" ist z.B. mitnichten
mehr allgemeine Praxis)

Es gibt auch ein paar Dinge, die ich wirklich nicht weiss:

* Gibt es "Print" und "e-Book", dann ist letzteres lt. Regeln eine
  Sekundaerform und erfordert ein eigenes Katalogisat. Wenn das
  e-Book aber in verschiedenen Formaten (DRM-Plattformen) verfuegbar
  ist (und somit verschiedene ISBNs faellig werden), ist dann die
  Praxis, auch mehrere Sekundaerform-Katalogisate fuer die
  "elektronische Ressource" anzulegen?

* Auch bei "Print" duerfte es immer haeufiger werden, dass Hardcover-
  Erstauflage und Paperback im gleichen Jahr herauskommen. Gibt es
  bereits Faelle, wo mehrere Print-ISBNs eingedruckt sind, Hard-
  und Softcover also nicht mehr als eigene Ausgaben zu werten sind,
  sondern nur als unterschiedliche Ausstattungen?



> Zuvörderst muß es doch stets um Praktikabilität gehen, und für uns hier
> kann das nur heißen: Einpassung ins Gegebene, also ins konsolidierte
> Format. Nicht dessen Verschrottung und Aufbruch in eine neue Formatwelt,
> die noch gar nicht entwurfsweise fertig, geschweige praktikabel ist
> (BIBFRAME und was sonst an neuen Ideen herumschwirrt ist davon und von
> jeder großmaßstäblichen Bewährung alles noch sehr weit entfernt).

Praktikabilitaet muss sich vor allem daran messen lassen, was
an Datenfeldern aus Fremdkatalogisaten hereinkommt, niemand
kann sich leisten, die umzuarbeiten, und erst recht kann und
will niemand es sich leisten, Altdaten (manuell) umzuarbeiten.

Wir haben ein "altes" Problem, dass Katalogisate zu verschiedenen Ausgaben
eines Werks oder verschiedenen Bearbeitungen datentechnisch nichts
voneinander wissen und daher Recherche nach einer ISBN u.U. keinen Treffer
erbrachte, obwohl die Grossdruck-Ausgabe im Bestand vorhanden ist. Oder die
spaetere, ueberarbeitete Ausgabe. Oder zwar nicht die gesuchte
originalsprachige Ausgabe, aber eine zweisprachige Edition oder immerhin
eine Uebersetzung. Etc. pp. RDA und Konsorten sind angetreten, das in den
Griff zu bekommen, die Loesung jetzt (und auch frueher) besteht *nicht*
darin, noch mehr ISBNs ins Katalogisat zu packen. xISBN (von OCLC) und
ThingISBN (LibraryThing, vgl. <
http://www.librarything.com/wiki/index.php/LibraryThing_APIs >) bieten
Webservices, die zu einer ISBN irgendwie
unscharf "zugehoerige" liefern koennen und sind ein m.E. vernuenftiger
Ansatz (wir wissen nicht, mit welcher Sorte "Ersatz" sich der Benutzer
zufrieden geben wird, wenn die von ihm eigentlich gesuchte ISBN keinen
Treffer ergibt. Wir wissen nur, dass er seine eigenen Kriterien u.U.
modifizieren wird, selbst wenn es einen Treffer gab, der Titel sich
aber als ausgeliehen herausstellt...)

"Neu" nun das Problem, dass unsere Katalogisate stellenweise und
simultan auch zu grobkoernig sind, "Abreichern" von ISBNs wuerde
nur das alte Problem verschaerfen und ansonsten wenig loesen: Auch
bei einer Verfasser-Titel-Suche findet der Benutzer die Aufnahme
(und hat sich dabei dem Katalog gegenueber ueberhaupt nicht geoutet,
was seine eventuelle Ausstattung mit e-Readern angeht) und muss
erkennen koennen, ob die gebotene (durch das Katalogisat vermittelte?)
Ausgabe fuer ihn brauchbar ist.

Meine Kritik gestern war vor allem, dass inzwischen (RDA: "mediated"
carrier) sehr wichtige Details zur "Ausstattung" traditionell unnormiert
bzw. nur als Anhaengsel zur ISBN erfasst werden, bzw. und wichtiger,
dass das, wofuer ein Katalogisat aus Nutzer- bzw. Bibliothekarssicht
steht, Gefahr laeuft auseinanderzudriften: "Alt": Der Benutzer aergert
sich, denn das Katalogisat steht nicht fuer alle Auspraegungen eines
Werks. "Neu": Der Benutzer aergert sich, denn das Katalogisat steht
"auch" fuer "seine" Kindle-Version, dabei ist die gar nicht verfuegbar.


> Es bieten sich für unseren Kontext zwei Lösungen an:
> 
> -- die allereinfachste:
>    Differenzierung der #87 in
>    #87   Haupt-ISBNs, die der vorhandenen Manifestierung entsprechen
>          Mehrfachtrenner " = " für die hinsichtlich Benutzung
>          gleichwertigen Manifestierungen (z.B. Hard-/Softback)
>    #87a  andere ISBNs f. andere, nutzungstechnisch nicht gleichwertige
>          Ausgaben (Menifestierungen), die die Bibliothek nicht im
>          Angebot hat (Mikroform-, eBook-, Kindle-ISBN)
>    #87b  Beziehungs-ISBNs (Gesamtwerk, Serie)

[Das, naemlich Band-ISBNs in Hauptaufnahmen, Gesamt-ISBNs in Baenden,
je nach Tagesform und Willkuer der Drucker, bietet Stoff fuer ganz
andere Geschichten. Bzw. eigentlich eine komplementaere Geschichte:
Wir haben hier traditionell mehrere Katalogisate (Gesamtwerk und
Baende), die mit mehreren ISBNs ausgestattet sind. Matching von
solchen Daten aus verschiedenen Verbuenden ist schwierig, denn die
Datensaetze sind nur als "ist Bandauffuehrung" bzw. "ist Gesamtwerk"
codiert, es gibt aber keine (und kann es vielleicht auch nicht geben)
Normierung fuer die Tatsache "ist Band 3". Matching per ISBN fuer
einen konkreten Band liefert normalerweise die Hauptaufnahme und
bestimmte Kandidaten-Bandauffuehrungen, fuer einen ganz exakten Treffer
muss man dann eher auf Heuristiken wie Vergleich von Seitenzahlen
zurueckgreifen]

Ihre "allereinfachste" Loesung halte ich fuer eine Maximalforderung,
weil hier im Rahmen von #87 eine FRBRisierung der Katalogisate
erfolgt. Das schafft keiner, und schon gar nicht fuer sich allein.


> -- eine auch nicht schwierige:
>    Hat man Exemplarsätze, kann man zudem auf der Exemplarebene die für
>    das Exemplar zutreffende ISBN ablegen.
> 
> So macht man, wie gehabt, den Titel auffindbar, auch wenn die gesuchte
> ISBN nicht die der gewünschten Manifestierung ist, zusätzlich aber hat
> man die Möglichkeit, in Ergebnislisten und Satzanzeigen eben gerade
> die tatsächliche Manifestierung klar hervortreten zu lassen, weil auf
> Datenebene, programmatisch auswertbar, die Differenzierung da ist.

Mit Exemplarsaetzen ist man fein raus, denn dann mag das Katalogisat
weiterhin fuer eine Vielheit von e-Ausgaben stehen und in den
Exemplarsaetzen steht dann, welche verfuegbar sind. Schade eigentlich
nur, dass die meisten allegro-Anwender Exemplarsaetze nicht wirklich
moegen und daher mit Macht vermeiden...

Ich denke, wichtig ist vor allem folgendes, auch wenn es keine "Loesung"
ist und erst recht keine daten- oder formattechnische:

* Die "Bedeutung" eines Katalogisats (also wofuer es steht) liegt nicht
  wirklich in unserer Hand. Sowohl wenn wir "print" und "elektronische
  Ressource" in einem Katalogisat zusammenfassen oder fuer verschiedene
  Plattformen oder sogar Einzelexemplare verschiedene Katalogisate anlegen,
  durch ISBN's, URLs, EKI's, Verfasseransetzungen etc. gibt es stets
  explizite oder latente Zusammenhaenge mit anderen Katalogisaten in
  anderen Datenbanken, und wofuer die stehen, "strahlt" in unseren
  Katalog hinein.

* Fuer die konkrete Bibliothek hat das Katalogisat einen bestimmten Zweck,
  naemlich "lokaler Nachweis". Meist reicht es aus, durch Vermerk von
  Signatur und/oder Zugangsnummer zu deklarieren, dass man ein einzelnes
  Vervielfaeltigungsstueck genau wie im Katalogisat beschrieben im
  Bestand hat. Manchmal nur hat man zusaetzliche Informationen erfasst
  ("vermisst", "Kap. 3 nur als Fotokopie") um Abweichungen von dieser
  Aussage zu vermerken. Nun - behaupte ich - muss man staerker aufpassen,
  weil ein einzelnes "Exemplar" zunehmend nicht die Gesamtheit der im
  Katalogisat aufgefuehrten Eigenschaften abdecken kann und es muss
  haeufiger im Bereich der Lokalangaben nachgeholfen werden, damit
  der Benutzer stets erfaehrt, was die Bibliothek wirklich "hat".

* Das betrifft also den Komplex "e-Books", wo (meinetwegen auch "nur"
  als Anhaengsel zur Zugangsnummer) die konkrete DRM-Plattform benannt
  und im Publikumskatalog prominent angezeigt werden muss, und mittelfristig
  evtl. auch klarere Hinweise, dass die Abwesenheit einer allgemeinen
  Materialbenennung bedeutet, dass hier "nur" die Print-Version im Bestand
  ist.

* Erforderlich ist m.E. auch eine groessere Sorgfalt bei den elektronischen
  Adressen, es gibt seit langem Unterfelder, die codieren:
  1. ob der Link auf das Original, ein elektronisches Surrogat oder irgendwie
     sonst mit dem Werk zusammenhaengt ($A)
  2. Die Art des Bezugs auf das Original, wie "Volltext", "Digitalisat",
     "Inhaltsverzeichnis" ($3)
  Gerade bei *lizensierten* elektronischen Ressourcen kommen dazu Links auf
  Aggregatoren oder zentrale Ausleihsysteme hinzu, aber auch Links auf
  direkte Bezugsmoeglichkeiten beim Verlag etc. Manche dieser Links sind
  daher nur nuetzlich fuer die eigenen Benutzer, manche auch fuer Nutzer
  anderer Bibliotheken mit aehnlicher Lizenz, andere fuer jedermann.
  Und manche Links stehen fuer ein konkretes technisches Format, andere
  fuehren zunaechst auf eine Auswahlseite.

Ich glaube, dass wir in einem Einzelkatalog nicht gegen den Rest der Welt
"sauberere" Katalogisate herstellen koennen, selbst wenn das gelaenge,
wuerde es die zukuenftigen maschinellen Abgleichmoeglichkeiten (in der
Praxis: Platt machen und durch ein Fremdkatalogisat ersetzen) gefaehrden.
Wir muessen aber /im Bereich von Lokal- und Bestandsangaben/ (#90 - #97
oder Exemplarsaetze) erlaeutern, was vom im Kernkatalogisat Beschriebenen
auf den Bestand der konkreten Bibliothek zutrifft. Das wird uns nicht
unbedingt dabei helfen, in einem zukuenftigen Universum voll durch-
FRBRisierter Daten unsere Altdatensaetze automatisch stets dem Richtigen
zuzuordnen, schuetzt aber davor, dass unsere Aussagen zum konreten
Bestand voellig verloren gehen.

viele Gruesse
Thomas Berger




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