AW: [Allegro] Unterdrücken der Anzeige von Feld 39

Bernhard Eversberg ev at biblio.tu-bs.de
Di Feb 26 12:16:51 CET 2008


Ein paar weitere Gedanken zum Thema.

Thomas Berger schrieb, den Kern des Konflikts freilegend:
> 
> *Doppel*arbeit der Erfassung der angesetzten Form der (persoenlichen
> oder koerperschaftlichen) Urheber sowie der Vorlageform nimmt einem
> strenggenommen niemand ab:
> 
> In der Situation ohne Koerperschaften gibt es oft verbalen Ballast
> in der Verfasserangabe, der transkribiert werden muss (und sei es
> nur ein simples "von" zwischen " / " und "Peter Mueller", dass es
> eher einfach ist, #39 staendig zu erfassen, als die wenigen Faelle
> zu bemerken, wo die Vorlageform der Verfasserangabe zufaellig durch
> die Software "errechnet" werden kann. Soweit zur strengen Lehre. In
> der Praxis halte ich es fuer legitim (und so machen es die meisten)
> nur in den wenigen Situationen #39 zu erfassen, wo Transkription der
> Vorlage zur Erhellung der besonderen Umstaende beitraegt.
> 
Genau das führte seinerzeit beim NMN zur Schaffung der #39 und ihrer
besonderen Funktionsweise.

Das A-Format hat, die NMN-Denkweise fortführend, schon die Ansetzungs-
form höher bewertet als die Vorlageform. Im RAK-Denken und in MAB ist
die Ansetzungform eine Zutat, die man wo notwendig beifügt, im
konsolidierten A-Format-Denken ist es aber die Vorlageform, die im
Bedarfsfall beigefügt wird, bei Identität mit der Ansetzung jedoch
nicht. Ein Vorteil ist, daß eben #20 stets die Form ist, die ins
Titelregister muß und die zum Sortieren von Listen heranzuziehen ist,
d.h. bei solchen wichtigen Tätigkeiten ist keine Fallunterscheidung
nötig.

Ganz entscheidend also: Retrieval (Auffindbarkeit, Navigieren, Zusammen-
führen) wird heute als wichtiger angesehen als die Beschreibung oder
Darstellung eines Satzes an der Oberfläche (also Anzeige oder Druck).

Die ISBD, das klassische Grundmodell einer Titelanzeige, wird ja
nun auch bei Web-Katalogen (und andere wird ein Nutzer zunehmend
gar nicht mehr kennenlernen) kaum noch umgesetzt, d.h. große
Teile der ehemals so wichtig genommenen Beschreibungsregeln sind
damit nutzlos. Für die FRBR-Kernaufgaben des Identifizierens und
Auswählens zwischen mehreren "Ressourcen" behalten Vorlageformen
dennoch eine gewisse Wichtigkeit, nicht jedoch ihre Anordnung und
Interpunktion in einem Display.

Solches Denken kennt MARC bis heute nicht, sondern MARC bildet
im Gegenteil noch immer genau die Reihenfolge incl. Interpunktion (!)
der Titelaufnahme ab, wie sie auf dem gedruckten Katalogzettel erschei-
nen soll(te). Dies nun mit dem FRBR/RDA-Denkmodell zu verschwistern
kann nicht zu einer leicht verständlichen Metadatenstruktur führen,
d.h. das Katalogisieren, das ja ein Ausfüllen von Formularen ist, die
mit dem Format direkt zusammenhängen, KANN nicht einfacher werden als
zuvor. MARC mit seiner engen Bindung an eine ganz bestimmte
Darstellungsform ist aus Sicht des modernen Datenbankparadigmas ein
grauenvoller Anachronismus, denn man strebt ja heute eine völlige
Unabhängigkeit von Datenstruktur und -Darstellung an. Dies hat allegro
mit seinem exzessiven Parametriersystem seit je ermöglicht wenn auch
mit dem konsolidierten Format noch nicht voll konsequent umgesetzt.

Ungut am A-Format ist, daß #20 eine Sonderrolle hat gegenüber anderen
Titeln (Neben-, Parallel-, Gesamttitel). Für deren Vorlageform gibt es
keine eigene Kategorie. Der Kern des Unguten ist die Tatsache, daß
#19 und #20 getrennte Felder sind, aber in ihrer Bedeutung
zusammengehören. Dieses Dilemma wurde beim Neutralformat überwunden:
    http://www.allegro-c.de/doku/neutral/
Hier gibt es zu jedem Titelfeld die Möglichkeit, eine Vorlageform ins
Unterfeld $Y einzugeben, wobei $Y für ALLE Felder, nicht nur Titel,
nutzbar ist.

#39 und #18 sind anders zu sehen als die #19: sie gehören zum ganzen
Datensatz (heutige Denkweise: zur "Manifestation"), nicht zu bestimmten
Datenfelder. Daher müssen sie eigene Datenfelder sein, im N-Format gibt
es dafür die #185 bzw #850. Noch besser wäre für die #39 vielleicht die
#852 statt #185 im Block "Inhaltsbeschreibung", das ist nochmal
zu überlegen. Man sollte womöglich diesen Block dann "Beschreibende
Angaben" nennen, wenn man nicht "Manifestation" als Neologismus
reinbringen will.

Im MAB-Format ist das Dilemma getrennter Felder, die aber funktional
zusammengehören, enorm groß. Was daran liegt, daß die MAB-Eltern
eine Unterfeld-Phobie hatten, die aus der ganz frühen Periode der
Programmierung stammte, als man damit (in einem bestimmten
Programmiersystem) noch nicht gut umgehen konnte. Die frühen MARC-
Programmierer hatten ein System, mit dem sie das sehr gut konnten. Das
Neutralformat vermeidet bewußt und strikt dieses Dilemma und will im
Gegenteil stets feldtechnisch zusammenhalten, was zusammengehört, und
definiert bei gleichartigen Feldern auch stets die gleichen Unterfelder
sowie eine Reihe von Unterfeldern (mit Großbuchstaben), die bei so gut
wie allen Feldern, wo inhaltlich sinnvoll, zur Anwendung kommen können.

Im RDA/FRBR-Zeitalter gilt es aber noch mehr zu bedenken: Ein Datensatz
soll sich auf andere "Ressourcen" beziehen können, insbes. auf andere
Werke, mit denen die vorliegende Ausgabe eines Werks in irgendeiner
Beziehung steht. Mit Hilfe von Einheits- und Nebentiteln sowie Fußnoten
hat man dies seit je schon gemacht, aber weniger mit dem Gedanken daran,
daß eine _Software_ diese Beziehungen dann erkennen und beim Retrieval
in ein _Navigieren_ und ein _Zusammenfassen_ des Zusammengehörigen
umsetzen können sollte. Dies unterstützt das N-Format mit seinem
allgemeinen Unterfeld $I, welches bei den Titelfeldern jeweils den Bezug
zu einem Werksatz herstellen kann. Zusätzlich kennen die Titelfelder
ein $w (WerkNummer), die eine externe Werk-IdNummer aufnehmen kann, z.B.
eine Opusnummer. Die $Y ist auch in diesem Fall natürlich die jeweils
vorliegende (manifeste) Titelfassung.

Das N-Format wird sich nicht durchsetzen, damit wir uns nicht falsch
verstehen! Es sollte hauptsächlich zeigen, wie man es auch machen
könnte, wenn man die gesammelten Erfahrungen und heutige Ansichten
zusammenfaßt. Und um eine Alternative zu bieten für Projekte, die
sich formatlich nicht auf eins der klassischen Modelle festlegen
müssen. Die Neutraldatenbank zeigt einiges, was damit möglich ist.




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