[Allegro] Bericht vom Festschreibungsfest
Bernhard Eversberg
ev at biblio.tu-bs.de
Mo Mai 30 15:16:50 CEST 2005
Verspäteter Bericht:
25. Mai 2005
Festschreibungsfest! Auf der Festwiese hinter den Hohen Hallen
der Entwicklungsabteilung wird die Menschenmenge dichter.
"Die Pfosten sind, die Bretter aufgeschlagen,
und jedermann erwartet sich ein Fest." (Faust I)
Tapeziertische schwanken unter der gigantischen Last der Festplatten,
auf der Bratenbank brutzeln die Param-Schinken,
an den Schnittstellen stehen normierte Torten anschnittfertig.
Hinter der Bühne sind die Darsteller bereit für die
Kurzoper in einem Akt, "Das Fest der Versionäre".
Die Schlüsselszene ist der turbulente Dialog zwischen der
Entwicklungsabteilung (EA), vertreten durch den düster tremolierenden
Baßbariton Bernardo Allegrio (B.A.), und dem Chor der Anwender (CdA),
angeführt durch den lyrischen Countertenor Tommaso di Bergamo (T.B.)
und den episch-elegischen Sonor-Bariton Henrique Alerso (H.A.).
Und so hört sich das an:
(Im Libretto sind leichte Ähnlichkeiten mit Faust I+II unvermeidbar,
geht es doch um alte, immer gleiche Menschheitsfragen)
EA
Zum Suchen erfunden, begabt zum Finden,
löst sie die Fesseln, die euch noch binden.
Sie kann, was immer ihr zu brauchen sagtet,
sogar, was kaum zu träumen ihr schon wagtet:
nehmt sie denn hin, die neue Version!
CdA
Die Silberne? Doch was besagt das schon!
Erst woll'n, was geht, wir leibhaft vor uns sehen,
zwar ging schon viel, doch sollte *alles* gehen!
EA
Wir schaffen, was ihr wollt, und schaffen mehr,
zwar scheint es leicht, doch ist das Leichte schwer!
Denn schafften wir, was wir gesollt,
dann habt ihr stets noch mehr gewollt;
kaum, daß was geht, da sollt' es *so nicht* gehen,
was ihr dann seht, das wollt ihr *anders* sehen,
was ihr vernehmt, das sollte *anders* klingen,
was *uns* gelingt, das will euch *nicht* gelingen,
was euch *gefällt*, das könnte noch gewinnen,
(doch *Zeit* soll hierzu nicht verrinnen),
was ihr nicht braucht, das kommt euch viel zu nah,
was ihr nicht findet, meint ihr, sei nicht da.
Ihr wollt es schneller, schöner, besser,
bringt man euch Löffel, braucht ihr Messer ...
CdA
Was wollt ihr jetzt mit solcher Bußtagspredigt,
dadurch sind uns're Mängel nicht erledigt!
Wir haben satt das ewige Ob und Wann,
uns fehlen Gabeln - schafft sie an!
Verfallt nicht dem Beamtentum,
die *Tat* ist alles, nichts der Ruhm!
Und große Taten freu'n uns, *größ're* mehr.
Im übrigen sind uns're Taschen leer...
EA
Ei Possen! wo bleibt unser Lohn
für ein' um andere beß're Version?
CdA
Es werden sich Poeten finden,
der Nachwelt euern Glanz zu künden -
was soll euch schnödes Eigentum,
was soll euch Mammon, habt ihr Ruhm?
Von euch läßt alle Welt sich raten,
der *Ruhm* ist alles, nichts Dukaten!
(Zwischengesang)
Drei nette BibliothekarInnen
(schweben auf einem Wölkchen herbei, ähnlich
den Drei Knaben in der Zauberflöte)
Weicheste Ware,
o wunderbare,
zeichnet die Zeichen,
Hemmnisse weichen,
nichts kann dem gleichen,
was wir erreichen!
Stets zu bewahren,
was wir erfahren,
und zu vererben,
was wir erwerben,
als ein Vermächtnis,
dem Weltengedächtnis.
Selbstloses Streben
ist unser Leben,
ist uns're Pflicht,
was wir auch weben,
vergeh'n soll es nicht.
Ehre und Ruhm euch
für Hilfe und Rat,
Dank für das Werkzeug
und für die Tat!
An allen Zipfeln
hebt nun die Hülle -
zu neuen Gipfeln,
zu neuer Fülle!
CdA
Ja, enthüllt sie, die Beschreibung,
Kurz und ohne Übertreibung!
Finden muß man, was man braucht,
wenn sie wirklich etwas taugt.
Neue Wege soll sie weisen,
Alleen, keine schmalen Schneisen!
Was drin steht, sei immer richtig,
alles fehle, was nicht wichtig.
Alles soll man gleich verstehen,
was man liest, das muß auch gehen.
Keine Frage bleibe offen,
wird von Fehlern man betroffen!
EA
In der Ferne, allzu weit,
schimmert die Vollkommenheit!
Ob man sie gleich gerne sähe...
H.A.
Führt uns schleunig in die Nähe, ...
EA
... bleibt sie unerreichbar doch, ...
T.B.
... nicht morgen, sondern heute noch!
EA
... wieviel Schritte man auch tut, ...
T.B.
Wie? - verläßt euch jetzt der Mut?
EA
... wird sie stets noch sich entziehen,
wenn man sie erobern will, ...
H.A.
Kann das sein? Oh schweiget still!
EA
... im Verborgenen nur blühen,
keinen Blicken ausgesetzt!
CdA
Gebt's nur zu, ihr scherzet jetzt!
EA
Schöner Schein, der ewig trügt,
glücklich wird, der sich begnügt!
T.B.
Zu neuer Predigt hebt er an!
H.A.
Diesmal, fürcht' ich, ist was dran ...
EA
Der mit dem, was ihm gegeben,
und dem Werk der eig'nen Hand,
eig'nem Geiste und Verstand,
sich erschafft das eig'ne Leben.
CdA
Nur in mühevollem Streben,
wie seit alters lang bekannt,
kommt man ins Gelobte Land?
Eure Zauber sollen binden,
was die Moden streng zerteilen,
jeder soll das seine finden,
die Version soll alles heilen!
Das Unzulängliche sei überwunden,
das Unverständliche, vorbei ist es wann?
Am Unvergänglichen woll'n wir gesunden!
Das Ewiggültige, fängt es nie an?
So zeigt denn, was ihr zeigen könnt!
B.A. (hebt die Hülle)
Hier steht alles jetzt im Lichte!
(Paukenschlag und Fanfaren)
CdA (offenen Mundes)
... Gaben, die noch keiner kennt!?
B.A. (zur Seite)
Morgen sind auch sie - Geschichte.
(Verhallender Paukenwirbel...)
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