[OnT] Duden fuer Dummies

Bernhard Eversberg ev at buch.biblio.etc.tu-bs.de
Mo Aug 30 11:06:09 CEST 2004


Zur 23. Aufl. des "Duden" (mit dem aufatmenden "endlich amtlich" auf der 
Banderole) gab es schon harsche Pressestimmen, voran von T. Ickler letzten 
Freitag fast ganzseitig in der FAZ.
Ganz schlecht ist die neue Ausgabe aber nicht, obwohl sie alle anderen seit 1996 
erschienenen Wörterbücher entwertet. Was nebenbei nichts anderes heißt als: "Die" 
Reformschreibung gibt es nicht mehr. (Aber es gab ja eh schon die 
Agenturschreibung, die ZEITschreibung, Bertelsmann, ...)

Man muß sich klarmachen: die Mannheimer wissen, daß sie ein Millionenspiel 
betreiben, und sie sind keine Hasardeure, sondern Schlitzohren. Das Ergebnis ist 
deshalb janusköpfig: Neuschreiber merken sich nur "rot ist gut", Reformgegner 
merken sich "Rot = Finger weg", dann haben beide, was sie wollen. 
Naja, in manchen Fällen steht da NUR ein rotes Wort, wie z.B. "dass". Man weiß 
dann aber sofort, was los ist: hier liegt Neuschreibung vor, klassisch heißt es 
"daß". Man könnte also getrost "Duden für Dummies" draufschreiben; dieser Zusatz 
hat sich bei anderen Produkten als sehr verkaufsfördernd erwiesen.
Mannheim ist, kurz gesagt, selbst für den Extremfall des restlosen (nicht "Rest 
losen"!) Kippens der Reform bestens vorbereitet: man wird nicht auf einmal mit 
einem Ladenhüter dastehen (nicht "da stehen", das hat auch die Reform nie 
erlaubt). Neue Banderole drum: "Ungültiges jetzt rotgedruckt!" - fertig.

Aber Scherz beiseite!
Dem Trend zur klassischen Schreibung kommt entgegen, daß vor allem bei der 
Getrenntschreibung die Bevorzugung der neuen Variante aufgegeben wurde: beide 
sind jetzt, und das wird ausdrücklich bestätigt, völlig gleichwertig:
  http://www.duden.de/neue_rechtschreibung/regelergaenzungen.html

Man findet nicht mehr "alte Schreibung: xyz", sondern jetzt "auch: xyz". 
Gleiches gilt für die Varianten mit ph und f, und hier wird's für uns sehr 
relevant: "Bibliografie" ist nicht mehr die Vorzugsschreibung, "Bibliographie" 
ist gleich gültig!
  http://www.duden.de/index2.html?neue_rechtschreibung/crashkurs/regel7.html
Welche man nimmt, ist damit gleichgültig. (Dieses Wort war von der Reform 
unberührt, getrennte Schreibung gleichwohl (nicht "gleich wohl"!) manchmal 
brauchbar.)
Dahinter steckt: man hat gemerkt, dass getrennte Schreibung manchmal den Sinn 
verändert oder gar ein notwendiges Wort vernichtet ("viel versprechende 
Politiker"). Diese Einsicht wird zwar nicht zugegeben, das fällt offenbar schwer. 
Die Rehabilitierung der Zusammenschreibung ist jedoch so kommentarlos wie 
umfassend erfolgt. Auch die nicht-Wörter sind wieder erlaubt: z.B. "nichtrostend, 
nichtleitend". Und viele Alt-Schreibungen stehen sogar ohne "auch:" neben den 
Neuschreibungen: aufwendig, selbständig, sogenannt, ...

Aus diesem Grunde ziehe ich den vor einer Weile ausgesprochenen Vorschlag zurück, 
alle fortlaufenden Sammelwerke, die "...bibliographie" im Titel haben, nun 
umzubenennen auf "...bibliografie".

MfG B.E.

Den Salat haben wir im übrigen dennoch. Es *gibt* sie inzwischen, die Buchtitel 
mit "Differenzialrechnung" u. dgl. Es hätte sie nicht geben müssen.



Bernhard Eversberg
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