BUGS und Oeffentlichkeit

Thomas Berger ThB at gymel.com
Mo Jul 22 15:38:41 CEST 2002


Liebe Frau Koczian, liebe Liste,

> >What's buggin' You anyway? "Bug" ist doch zunaechst einmal etwas,
> >was man keinesfalls mit "Fehler" uebersetzen kann. Die Inhalte der
> >Bugzilla-Datenbank sind "reports" (und "Additional Comments".
> 
> So kann das m.E. nur jemand sehen, der vollen Durchblick hat und den
> Riesen-Unterschied kennt zwischen Irritation, Nichtverstehen, jedenfalls
> irgendeiner Sorte von Negativ-Wahrnehmung des Benutzers einerseits und
> einem Programmverhalten, das der Entwickler sich so nicht vorgestellt hat,
> andererseits.

Hm. aber diese "irgendeine ... Negativ-Wahrnehmung des Benutzers"
ist genau das Kriterium. Wenn ein Programmverhalten als negativ
oder defizitaer empfunden wird, wird der Anwender es "Bug" nennen.
Es waere unrealistisch, ihm erst einen Sprachkurs zu verpassen,
bevor er sich artikulieren darf. Natuerlich gibt es Dinge, die
sich nie reproduzieren lassen (und auch vermurkste Installationen),
und andere Dinge muessen so bleiben, wie sie sind, weil alle
denkbaren Alternativen auch schlecht waeren oder unendlich aufwendig
zu realisieren. Das abzuschaetzen, kann man aber auch nicht dem
Anwender aufbuerden. Umgekehrt sind Irritationen der Anwender
die allerwichtigste Quelle ueberhaupt fuer Verbesserungen und
muessen daher mit allen zu Gebote stehenden Mitteln eingesammelt
werden.
 
 
> >Also, ich kenne kaum ein unspezifischeres Wort als "Bug", obwohl ich
> >natuerlich weiss, dass modernere Menschen es nicht "Bugzilla" sondern
> >vielleicht "enhanced QA/QM workflow request tracking tool" (kurz:
> >EQAQMWRTT) nennen wuerden...
> 
> Mir scheint "Bug" keineswegs so unspezifisch, fuer mich steht dieses Urteil
> am Ende der Erforschung dessen, was mich erst mal geaergert hat - und nur
> sehr selten komme ich so weit, dass ich es selber faellen koennte. Und ich
> wuerde vermuten, dass ich mich mit dieser Lesart eher der herrschenden
> Lehre anschliesse.

Ich persoenlich nenne alles einen Bug, wenn es nicht so funktioniert,
wie ich will. Wenn mir jemand geduldig erklaert, warum ein Phaenomen
kein Bug ist, lasse ich mich vielleicht herab, es "Misfeature"
zu nennen ;-) 

 
> Andere Frage: wie "oeffentlich" ist so ein System, von welcherlei Leuten
> wird es realerweise wirklich benutzt und welche Art Durchblick kann man
> erwarten?

Es ist - als sein eigenes Archiv - in Punkto Zugaenglichkeit und
Oeffentlichkeit vergleichbar mit einer Mailingliste mit Archiv: 
Recherchierbar (aktuelle und gewesene "Bugs") ist es fuer jedermann, 
zum selbst-hineinschreiben muss man sich in einem automatisierten 
Verfahren anmelden. Im Gegensatz zu einem Mailinglistenarchiv gibt
es aber weniger Moeglichkeiten zu Missverstaendnissen / Fehlzitaten,
weil Reports und Anmerkungen / Antworten dazu immer in ihrer Gesamtheit
angezeigt werden. Wie bei Mailinglisten wuerde ich behaupten, dass
Oeffentlichkeit und Peer Pressure wesentliche Funktionsprinzipien
eines solchen Systems sind.

Die psychologische Schwelle dafuer, "Bugs" einzutragen, ist m.E. recht
hoch: Es ist eine "Datenbank" und keine "Mailingliste" oder "Newsgroup",
d.h. Altes ist so gut zugaenglich wie Neues. Fuer einen Report
wird vom Meldenden gefordert, zunaechst zu ermitteln, dass er keine
Dublette produziert und dann eine so exakte Beschreibung abzuliefern,
dass das Problem reproduzierbar sein sollte und potentielle andere
Melder diesen Report auch finden koennen.

Es gibt eine grobe Klassifikation nach Funktionsbereichen, Ansaetze
einer Verschlagwortung, eine Volltextsuchmoeglichkeit und ein oder
zwei vorfabrizierte Standardabfragen, die Recherche ist aber dennoch
mitnichten trivial.

Realistischerweise werden solche Systeme - sowohl schreibend als auch
"nur" lesend - von Leuten genutzt, die sich technisches Verstaendnis
anmassen, sei es was das Verhalten des behandelten Programms angeht
(gerade bei Windows-Programmen ist das Benutzerinterface und die
Benutzerfuehrung nichttriviale "Technik"!) oder den Code (in Bezug
auf Parameterdateien/Flexe und Dokumentation/Hilfsseiten ist allegro-C
ja durchaus mit Open Source vergleichbar). Und es wird - wegen der
Komplexitaet der Oberflaeche, der psychologischen Schwellen, dem
Zwang zu einer gemeinsamen Sprache und der Gestaltung eines Workflows -
nicht beilaeufig benutzt sondern erst nach einer Beobachtungs- und
Einarbeitungszeit. D.h. weder ein "reiner" Anwender noch desssen 
noch so versierter Systemadministrator wuerden je auf die Idee kommen.

Konkret fuer das allegro-Bugzilla: Neben Herrn Eversberg gibt es
derzeit,
einen Monat nach dem Aufsetzen des Systems, vier registrierte Benutzer, 
davon haben zwei tatsaechlich schon einmal in die Datenbank geschrieben. 
Diese vier Benutzer sind erwartungsgemaess alle aus der Sparte
"Entwickler 
eigener Anwendungen" bzw. "Multiplikatoren".

viele Gruesse
Thomas Berger




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