[Allegro] Zu einem abgeschlossenen Kapitel

Bernhard Eversberg b-eversberg at gmx.de
Di Aug 8 08:49:46 CEST 2023


Bei ntv konnte man am 1. August lesen:

"Nach einer höchst emotionalen Debatte wurden vor 25 Jahren einige Rechtschreibregeln geändert. 
Zuvor hatte es jahrelange Überlegungen gegeben. Bis heute sprechen manche von der neuen Rechtschreibung, 
doch über die meisten Änderungen hat der Alltags-Sprachgebrauch entschieden.
Sprache ist lebendig, sie entwickelt sich fortlaufend weiter. Doch dort, wo sie sich verändert, 
kommt es immer wieder auch zu hitzigen Debatten. 
Am 1. August jährte sich die Einführung einer der wohl umstrittensten Neuregelungen der 
deutschen Orthografie: Die Rechtschreibreform wird 25 Jahre alt. Mit dem Vorhaben sollte das 
komplizierte Regelwerk der deutschen Rechtschreibung lautorientierter, systematischer und 
dadurch leichter lernbar gemacht werden. Zehn Jahre beriet eine Expertenkommission, 
bevor Deutschland, Österreich, die Schweiz, Liechtenstein und die Länder mit deutschsprachiger Minderheit 
1996 eine entsprechende Erklärung unterzeichneten."

Auch auf inetbib und in diesem Forum wurde hitzig debattiert und polemisiert, auch weil die Katalogsuche von
den Neuerungen negativ betroffen sein würde.
Inzwischen hat sich jeder auf seine Weise abgefunden damit und schreibt mehr oder weniger reformiert.
Aber jeder weiß:
Das Gesamtbild hat sich nicht verbessert, auch nicht in den Schulen. Im Gegenteil wird der Schülerschaft 
eher ein noch schlechteres Zeugnis ausgestellt als dazumal: 
Nicht nur die Schreib- sondern sogar die Lesefähigkeit wird jetzt als unzureichend beklagt.
Eine offizielle Evaluierung der Reformergebnisse fand bis dato nicht statt und die Verantwortlichen 
rühren sich nicht mehr. (Eigentlich wollten sie damit berühmt werden.)

Wie es mit dem Zustand in Online-Katalogen oder Entdeckersystemen bestellt ist, scheint kein Thema zu sein.
Unbestreitbar aber ist, dass das Erlernen einer passablen deutschen Orthographie besonders für
anderssprachliche Ausländer eine Herausforderung ist, und zwar heute leider eine größere als vor der Reform.
Denn gute Rechtschreibung kann man im Deutschen am besten durch vieles Lesen lernen, nicht so gut durch
das Pauken von Regeln. Der Leser aber sieht sich mit zwei Textsorten konfrontiert, mit alten und neuen,
aber sich auf nachreformatorische zu beschränken wäre ein Unding. 

Nebenbei:
Völlig ansders sieht es aus mit der polnischen Orthographie und auch mit der Aussprache. Das ganze System
ist mustergültig konsequent, logisch und stabil, und das seit der Renaissance. Niemand käme auf die Idee,
eine Reform zu machen. Polnisch zu lernen bleibt dennoch schwierig, aber aus anderen Gründen.

Goethe meinte:
"Amerika, du hast es besser
Als unser Kontinent, das alte,
...
Dich stört nicht im Innern
Zu lebendiger Zeit
Unnützes Erinnern
Und vergeblicher Streit."

Orthographie war dort kein Thema mehr seit der Zeit von Benjamin Franklin, als man
zu dessen Missvergnügen die Großschreibung der Substantive abschaffte. Er hat es 1787
nicht zugelassen, als man den Verfassungstext in der Hinsicht ändern wollte.
So sieht sie immer noch aus:
https://www.archives.gov/founding-docs/constitution-transcript




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