[Allegro] Zum Thema "Zukunftsfähigkeit"

Bernhard Eversberg b-eversberg at gmx.de
Di Mai 18 16:29:07 CEST 2021


Gedankensplitter zum Thema "Zukunftsfähigkeit"

Oft schon wurde gesagt: allegro wird so lange laufen können, wie Windows noch läuft.
Das klingt einerseits beruhigend. 
Andererseits können Skeptiker sagen: (hat das eigentlich schon einer getan?)

"Wenn das die Antwort sein soll, was war dann die Frage? Es kann doch nicht
nur darum gehen, ob allegro technisch noch läuft, also nicht abstürzt.
Man sollte doch fragen: 'Wird es noch benutzt werden können für Aufgaben und
Zwecke, die wir jetzt noch gar nicht kennen oder die gerade erst emporkeimen?'"

Man denke nur an all die Verheißungen der Digitalisierung. Gibt's nicht
schon Bibliotheken ohne Papier? ERM wird zum "sine qua non".
Ohne Cloud-Basierung wird bald auch nichts mehr gehen - Mitarbeiter 
können damit fast alle dauerhaft im HomeOffice werkeln!

Früher hätte der eine oder die andere womöglich den Zeigefinger gehoben: 
"Tempora mutantur - programmae itaque debent mutare."
Intuitiv liegt doch dieses Urteil wohl jedem auf der Zunge.

Die Antwort darauf ist einerseits "Wie könnten wir dazu schon
viel sagen, bevor wir jene neuen Aufgaben und Zwecke überblicken -
sie müssen ja auch erst einmal einigermaßen konsensual gefestigt sein.

Andererseits wurde eine Antwort auf diese Fragen schon mehrfach gegeben
mit Hinweisen wie: 
"allegro ist gar kein fertiges System mit allen Funktionen, die eine
Bibliothek braucht. Es ist sogar im Kern gar kein Bibliothekssystem,
sondern ein konfigurierbares, parametrierbares und skriptfähiges
Datenbanksystem. In den Programmen, a99 etc., ist nichts irgendwie
bibliotheks-spezifisches fest eingebaut und damit veraltungsanfällig." 

Schon lange ist es so, daß etliche neue Funktionen ohne Änderung 
am Datenbanksystem geschaffen wurden - allein auf der Basis der 
Skriptsprache FLEX im Verein mit Export- und Import-Parametern. 
Ausleihe, Erwerbung, Zeitschriften - allesamt hochkomplizierte
Funktionen, beruhen komplett auf FLEX und Parametern, nicht auf a99 selbst.
Und diese Offenheit für neue, jetzt noch unbekannte Aufgaben und Zwecke, die
bleibt bestehen. Neuestes Beispiel: die ExtroText-Funktionalität.

Im Übrigen steht selbst FLEX als Mittel zum Zweck gar nicht allein da, sondern
FLEX kann seinerseits bewährte Fremdprogramme aufrufen und sich deren
Fähigkeiten zunutze machen. So nutzt z.B. z39.flx das Programm z39.exe zum 
Herbeiholen von MARC-Sätzen aus anderen Datenbanken, und wandelt diese auch
gleich um. 
FLEX kann mit dem Befehl "open" oder "pipe" auch beliebige URLs wie eine Datei 
öffnen (mit "open" oder "get I") und damit direkt über das Web beliebige Dienste 
aufrufen oder einlesen und deren Inhalt inspizieren und beliebig verwenden.
(Das machen etwa die FLEXe cambio.flx und eurox.flx: Geben Sie mal ein "X cambio"
oder "X eurox gbp". Aber noch sehr viel mächtiger ist die ebenfalls mögliche 
Nutzung eines Tools wie "curl", um Netz-Inhalte in geeigneter Form abzurufen,
genau das macht der cambio.flx: holt Währungskurse direkt von der EZB.

Weil auch a35 (mit acon) FLEX versteht und sogar darauf basiert, haben auch 
allegro-Banken im Netz dasselbe Potential. Ob alles in einer Cloud liegt ist
dann eigentlich egal, allenfalls mal etwas langsamer.

Ganz entscheidend in punkto Zukunftsfähigkeit ist im Grunde auch, ob das Web 
(als einzige universelle Plattform für Dienste aller Art) so bleibt, wie es ist, 
oder ob es irgendwann gründlich reformiert wird, so daß z.B. das 
HTTP-Protokoll nicht mehr benutzt würde. Dann wäre vieles davon abhängig, 
ob z.B. Tools wie "curl" dann noch verfügbar sein werden. Das Gegenteil
wäre aber wohl kaum zu erwarten.

Sodann folgendes noch, sicher eher ernstzunehmen als viele andere Fragen:

Es ist auch schon die Kritik gekommen, das allegro-Programm (a99) erscheine
schon rein optisch alt, komisch, nicht mehr zeitgemäß, schwer verständlich,
unintuitiv, unattraktiv usw. usf. Und dann die alphabetischen Register, 
ja Herrschaftszeiten! Für jeden unter 30 ist ein Getue mit alphabetischen Listen
nur noch Herrschaftswissen, zum alten Eisen damit. Wie würde man darin eigentlich
Ärzt*innen sortieren und Ministerpräsident*innen usw.? (Wie sehen überhaupt 
genderisierte Schlagwörter jetzt aus, und wie kann man die sortieren?)

Über Ästhetik läßt sich trefflich streiten. Der Entwickler ist aber gut
beraten, Funktionssicherheit, Zuverlässigkeit, Ressourcenanspruch sowie 
funktionale Vielfalt und Flexibilität nicht hinter polierten Oberflächen
auf niedrigere Priorität zu setzen.
Allerdings ist a35 oberflächlich jederzeit in jedem Aspekt modifizierbar,
dafür braucht man nur HTML, JavaScript, etwas PHP, und FLEX. DAS zumindest
sind Sachen, die jeder Web-Werker beherrscht.

Noch etwas tiefer schürfend und grundsätzlicher: die Exportsprache und FLEX
seien derartig anders als jede gängige, aktuelle Programmiersprache, daß 
man als Admin oder gar Anwender die Zeit für das Erlernen wirklich nicht 
aufbringen kann. Zugegeben, so sieht'S aus. Das haben nur Amateure früher
mal fertigebracht, jedenfalls als man Windows und Web noch nicht kannte.
Noch lange nach Einführung von a99 (1999) gab es sogar Anwender, die auf
das DOS-Vehikel PRESTO schworen, bei dem man über wirklich alles die voll-
ständige Kontrolle und den Durchblick haben konnte. Das heute nicht mehr
so bekannte "Systemhandbuch" hatten viele verinnerlicht, besonders was
die Parametrierungen angeht. (Letzte Ausg. als PDF auf allegro-b)

Nicht falsch verstehen jetzt! Das ist aus zeitgenössischer Sicht alles richtig. 
Zum Glück gibt's aber Alternativen. Und die grundgesetzlich garantierte freie 
Meinungsäußerung impliziert auch die freie Wahl der Software, mit der man arbeiten will.
Um nur zwei von vielen zu nennen: FOLIO ist viel versprechend, aber erst noch 
im Anmarsch, doch Koha hat eine global verteilte Community und ist auch im 
DACH-Raum zunehmend erfolgreich.

Nur falls man noch schwankt, welche der Alternativen man sich zum Migrationsziel 
setzen sollte - dann gilt immer noch der einleitende Satz. 
"allegro" bleibt somit, wie es ist. 
Und darauf, wie es mal ein bekannter Kanzlerkandidat sagte, können Sie sich verlassen.
Das bedeutet insbes. und nebenbei, daß der Person des Entwicklers keine 
unentbehrliche Schlüsselrolle mehr zukommt (wie es wohl gern behauptet wird) - denn  
die bekannten Supporter arbeiten längst eigenständig und kennen ohnehin ihre Klientel 
und deren Bedarfe weitaus besser. (Wer keinen Spporter kennt, kann sich bei mir
oder anderen Anwendern erkundigen.)

Eine V41.3 wird's gleichwohl bald geben, aber die Programme werden weiterhin
ohne funktionale Änderung daherkommen - es waren schlicht keine mehr nötig.
(Auch "ExtroText" hat ja keine erfordert.)
Über kleinere ästhetische Ameliorationen an a99(10) wird noch nachgedacht.

B.Eversberg





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