[Allegro] Vb.285 (Sondernummer) : Katalogdaten als Kulturgut? allegro-Kataloge archivieren?
Bernhard Eversberg
b-eversberg at gmx.de
Mo Dez 5 12:22:55 CET 2016
Verlautbarung 285 zur allegro-Entwicklung 2016-12-05
-- Sondernummer --
Datenbanken als Kulturgut? allegro-Kataloge archivieren?
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Sie wollen nur schnell wissen, was Sie tun könnten?
--> unten der Abschnitt "Was man tun kann"
Bibliotheken sind per se und seit je Kulturgutbewahrer. Begreifen sie
aber als Kulturgut auch ihre Katalogdaten? Wohl eher nicht, sondern
als kaum mehr denn einen Werkstoff, einen spröden, sperrigen zudem, am
besten mit dicken, gefälligen Oberflächenschichten zu kaschieren.
Wer könnte auch schon etwas anfangen mit den Daten ohne gefällige
Verpackung - so völlig anders als bei Weihnachtsgschenken. Wie bei
diesen ist dagegen auch bei unseren Daten das Selberbasteln ganz aus
der Mode, und vielleicht ist damit auch die Wertschätzung ein
Stückweit den Bach runtergegangen - man ist froh über jeden Aufwand,
den man in der Produktion noch einsparen kann - RDA hin oder her.
Dieser "Neue internationale Standard" sorgt auf's Ganze gesehen für
Verschlimmbesserung des Materials und fordert mehr Verpackungsaufwand.
Ein paar Beispiele für eine Bewahrung von Katalogdatenbanken finden
sich indessen aber schon:
In Braunschweig steht vermutlich die einzige UB, die über einige Jahre
(1997-2013) alljährlich eine Kopie ihres OPAC-Bestandes auf CD gebannt
hat, zuletzt auf DVD. Damit ist der jeweilige Datenbestand für längere
Zeit gesichert UND für Recherchen verfügbar, denn die Software zur
Benutzung (alcarta) ist auf der Platte mit drauf. Eine solche Sammlung
von Entwicklungsstufen eines Kataloges und damit auch Bestandes hätte
man mit Zettelkatalogen nicht anlegen können. Ähnliche Fälle sind der
"Berliner allegro-Catalog" (baC), der ebenfalls eine Weile auf CD
erschienen war, der Kirchliche Verbundkatalog (KiVK), die Datenbank
"Vegetationsökologie" (mit auf der allegro-CD) und die Theologische
Literaturdokumentation "TheoDok" aus Tübingen.
Nur einmalig in benutzbarer Form archiviert ist der ehem. VK des
ehem. DBI mit 15,4 Mio. Datensätzen:
(Tip: Flash für diesen Zweck erlauben, falls Browser danach fragt)
http://www.allegro-c.de/db/a30/vk.htm
Der VK ist von einiger kataloghistorischer Bedeutung, also ein
Kandidat für das Prädikat "Kulturgut", wenn dieses denn für Kataloge
Anwendung finden soll und sofern man denn zu irgendeinem Ende
Kataloggeschichte studieren will.
Zu sehen sind die VK-Daten im alten MAB2-Format, das dafür benutzt
wurde - gleichfalls inzwischen nur noch historisch.
(Die großen gedruckten Bandkatalaloge sind auch Kulturgut, ganz klar,
waren aber nicht primär als solches intendiert, sondern sollten das
darin verzeichnete Kulturgut besser auffindbar machen. Hier aber
geht's uns sowieso nur um Katalogdaten, nicht -zettel.)
Ob nun diese speziellen Beispiele nachahmenswerte Exempel sein
könnten, oder bloß Studienobjekte für Kataloghistoriker, sei dahin-
gestellt. Es hat zwar, wiewohl nicht wirklich oft, schon Fälle
gegeben wie diesen: "Wir hatten doch dieses Buch vor Jahren mal
angeschafft, wo ist das geblieben, im Katalog find' ich's nicht!"
Mit Einblick in eine ältere Kopie konnte man es finden, der Datensatz
war womöglich durch irgendeinen Umstand aus der aktiven Datenbank
verschwunden. Oder auch: "Das Buch ist weg oder die Signatur
stimmt nicht mehr!" Bei Standort-Verlagerungen können halt auch mal
Fehler und Versäumnisse auftreten, und eine falsche Signatur macht ein
Buch so gut wie unauffindbar. All solche Dinge sollten auf keinen Fall
passieren, klar, sie tun es auch gar nicht oft, aber es passiert eben.
OK, kann man sagen, beim Zettelkatalog war das keinesfalls besser,
da konnte z.B. ein Nutzer den Zettel der "Haupteintragung" klauen und
sich das Buch damit exklusiv sichern, ohne es zu entwenden. DAS gelingt
bei einer Katalogdatenbank allenfalls einem sehr versierten Hacker
oder Insider. So einer könnte allerdings noch viel mehr kaputtmachen.
Allgemein werden Datenbestände schon seit einer Weile als sicherungs-
würdig und -bedürftig angesehen, und zwar in vielen Fällen auch für
unbefristete Zeit. Das liegt nahe, wenn man z.B. an Forschungsdaten
denkt oder an aufwendig digitalisierte Inkunabeln.
Ein Kompetenznetzwerk Langzeitarchivierung namens "nestor" wurde
gegründet und dort sieht man das so:
"Heutzutage gehören digitale Informationen ganz selbstverständlich zu
unserem Alltag dazu. Digitale Fotos, E-mails, Dokumente, Videos,
Audiofiles, E-Books, Nachrichten in sozialen Netzwerken - auf all diese
Daten möchten wir möglichst lange zugreifen können."
http://www.langzeitarchivierung.de/
Es geht mithin um elektronisches Kulturgut (eKG), des Schützens und
Sicherns nicht weniger wert als solches aus Papier.
Datenbanken, und speziell Bibliothekskataloge, sind dabei nicht genannt
und kommen in den nestor-Projektlisten bislang nicht vor.
Je nun, sie sind dynamisch! Ständig im Aufbau und in Verbesserung,
welchen Sinn könnte da eine Archivierung haben? Man hat Sicherungs-
strategien und Logdateien, um nach Zusammenbrüchen den letzten Stand
wiederherstellen zu können. Das ist höchst wichtig und wird penibel
durchgeführt. Damit hat man doch die Daten auf Nummer sicher? Braucht
man mehr? Braucht man konservierte ältere Momentaufnahmen einer
Katalogdatenbank - denn mehr kann's doch kaum sein, mehr ist eben das
Beispiel aus Braunschweig ja auch nicht! Cui bono?
Wenn es speziell um allegro geht, stehen nicht nur OPAC-Datenbanken
zur Diskussion, sondern auch viele spezielle Datensammlungen. Dabei ist
nicht nur das gesicherte Aufbewahren ein Thema, sondern auch die
Frage, ob und wie irgendwann später der eKG-Datenbestand einer neuen
Nutzung zugeführt werden kann. Dafür hatten wir in den letzten Jahren
schon etliche Beispiele. Datenbanken waren fast in Vergessenheit
geraten, wurden dann aber wieder interessant und sollten reaktiviert
werden. Was tun, wenn man das Knowhow und/oder eine Dokumentation
nicht mehr beisammen hat? Sind die Daten noch lesbar, wird dann
gefragt, und kann man sie auch mit der aktuellen Software für neue
Aktivitäten nutzen?
Nebenbei:
Ein prominenter Fall sind die "Jahresberichte für deutsche Geschichte",
unter
http://www.jdg-online.de/
immer noch als allegro-Datenbank am Netz, obwohl sie als solche nicht
mehr weitergeführt werden - die Daten sollen woanders subsumiert
werden.
(Auf der Website wird zwar allegro nicht der Erwähnung für wert
befunden, aber auch nicht, ob und welche andere Software denn nun die
Arbeit tut. Das ist vermutlich eine Vorsichtsmaßnahme, weil sonst der
oder die eine oder andere Hackerin oder Hacker leichter einen Zugang
fände, wüßte sie/er was über die Hintergründe. Und überhaupt, wär's
ein Zettelkatalog, würde man den Hersteller der Schränke schließlich
auch nicht erwähnen.)
Und noch was nebenbei:
Für Zettelkataloge stand es in der Zeit der großen Abbrüche zur
Diskussion, ob man die Zettel archivieren sollte. Es gab Stimmen, der
Zettelkatalog sei ein geistesgeschichtliches Dokument, das nicht
einfach spurlos verschwinden dürfe. Gleichwohl sind fast alle heute
nicht mehr da. Der Schriftsteller Nicholson Baker polemisierte 1994
heftig unter dem genialen Titel "Discards" gegen die amerikanischen
Bibliotheken, die mit ihren Zetteln Freudenfeuer veranstalteten:
http://www.newyorker.com/magazine/1994/04/04/discards
1996 gab es einen daran anknüpfenden Artikel mit dem Titel
"Access Denied : The Discarding of Library History" von Richard J. Cox,
Jane Greenberg und Cynthia Porter:
https://www.jstor.org/stable/25634927?seq=1#page_scan_tab_contents
(frei zugänglich).
Et hätt noch immer jot jejange? [Kölnische Spruchweisheit]
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Aber noch ein anderer Aspekt verlangt wohl nach präfaktischem Handeln:
Unsere digitale Infrastruktur ist mittlerweile höchst komplex und
räumlich weit verteilt, die Daten aber liegen nur an wenigen Stellen,
manchmal nur an einer. Viele Bibliotheken haben ihre eigenen Daten
gar nicht mehr im eigenen Hause und unter eigener Kontrolle. Gewiß,
die Verbünde machen einen hervorragenden Job mit ausgefeilten
Sicherungsverfahren, nennenswerte Ausfälle, Havarien und Datenverluste
hat es da noch nie gegeben. Aber die Infrastruktur wird umso anfälliger,
je größer, komplexer und weiter verteilt die Daten und Funktionen sind
und je enger andererseits das Knowhow auf wenige Stellen konzentriert
ist. Dieses Faktum hat sich jüngst auch bei der Telefon-Internet-
Infrastruktur der Telekom beunruhigend gezeigt.
Es wurde bekannt, daß die Angreifer nur wegen unausgereifter Programme
nicht den "Erfolg" hatten, den sie anstrebten. Zuversichtlich stimmt
so etwas nicht für die Schöne Neue Welt der global flächendeckenden
Digitalisierung. Ein Plan B für den Fall der Fälle könnte nicht
schaden, eine unabhängig vom Netz lokal verwendbare Datenbasis, auch
wenn die nicht top-aktuell wäre. Eine stabile Minimal-Lösung könnte
da eine statische, nicht angreifbare Kopie der Datenbank samt
geeigneter Benutzungssoftware sein. Jedenfalls billiger und weniger
aufwendig als andere denkbare Lösungen. Oder sollen Bibliotheken im
Fall erfolgreicher Datenangriffe großen Stils ohne jedes Mittel
dastehen, um magazinierte Bücher zu aufzufinden?
Fast will's einem scheinen, Bibliothekare halten's mit noch einem
anderen kölschen Sinnspruch: Et kütt, wie et kütt.
Was man tun kann (als allegro-Anwender)
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Als Minimum ist zu empfehlen - falls das nicht schon geschieht - die
wichtigsten Datenbestände (Datenbanken plus Software!) in gewissen
Abständen auf DVD zu brennen und/oder auf einen PC zu kopieren, der
nicht am offenen Netz hängt. Ganz wichtig: Nicht nur den Datenordner,
auch den Programmordner mit allen Unterordnern, so hat man die
gesamte Installation gesichert! Der Zeit- und Platzbedarf dafür ist
nicht besonders groß, und die DVD-Kopie kann sogar mit dem Programm
alcarta direkt benutzbar bleiben. Die allegro-CDs zeigen, wie das geht.
Besser zwei Kopien machen, wobei eine davon auch auf einer externen
Festplatte plaziert werden kann. Diese Kopien dann möglichst in
anderen Gebäuden unterbringen - es soll sogar schon mal ein großer
Archivbau eingekracht und im Boden versunken sein:
http://www.stadt-koeln.de/leben-in-koeln/kultur/historisches-archiv/der-einsturz-des-historischen-archivs
und Bibliotheken sind auch schon mal ab- oder angebrannt.
Wer eine Datenbank zu einem offiziellen Abschluß gebracht hat, kann
sie auf DVD veröffentlichen, mitsamt alcarta als Zugriffsprogramm.
So hatten wir es mit der alljährlichen CD/DVD immer gemacht. Damit
hat man nebenbei eine Menge verstreut liegende Sicherheitskopien -
wie bei einer Papierveröffentlichung im Vergleich zum Unikat des
Manuskripts.
Für längere Sicht ist es äußerst wichtig, daß man eine Dokumentation
des Datenformats beifügt sowie einen vollständigen Export in einem
für Fremdsoftware lesbaren Dateiformat, vorzugsweise wohl XML, für
geringere Ansprüche kann es auch eine schlichte Tabellendatei sein,
oder ein Export im Externformat, wahlweise mit ASCII, ANSI oder Unicode
als Zeichencodierung. Auch damit könnten später viele Programmierer
leicht etwas anfangen, besser als mit dem internen Format der
Datenbankdateien (.ald).
Solche Gesamtexporte sind leicht zu machen: h dbxport ruft ein
bequemes Menü hervor mit genauer Erläuterung. Kenntnisse der
Parametrierung oder FLEX sind dafür nicht nötig.
Was aber, wenn man seine Daten schon nicht mehr in eigener Obhut
hat, sondern in einer Verbundzentrale oder bei einem Dienstleister?
Voll drauf verlassen? Ratsam kann es sein, sich regelmäßig Kopien
des Bestands für den Fall der Fälle erstellen zu lassen, und diese
Kopien sicher unterzubringen. Wenn es sich dabei nicht um allegro-
Daten handelt, besteht die Möglichkeit, eine allegro-Datenbank draus
zu machen, die man zur Not oder für besondere Zwecke dann immer noch
jederzeit lokal nutzen könnte. Es ist kein sehr großer Aufwand,
ein solches Verfahren einmal zu parametrieren, danach kann es
jederzeit so gut wie automatisch ablaufen. Billiger jedenfalls wäre
eine funktionale fall-back-Lösung nicht zu haben.
Wer sich bei der Wahl der besten Vorgehensweise nicht sicher ist, kann
sich an jeden der Supporter wenden. Fragen aller Art zu dem Thema
stellt man sonst am besten an das Forum, evtl. auch an mich direkt.
B.E.
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