[Allegro] In the dawn's early light

Bernhard Eversberg ev at biblio.tu-bs.de
Do Nov 28 11:13:58 CET 2013


Eine Festschreibung bringt Gelegenheit zum Auf- und Durchatmen,
dann aber auch zum Richten des Blicks ins Umfeld und ins fachliche
Weltgeschehen. Und da bricht im Westen eine neue Dämmerung an.
Dazu nun einige noch ganz unfrisierte Reflexionen.

Die BIBFRAME-Initiative der LC nimmt Fahrt auf. Vorige Woche erschien
ein Papier:
   http://listserv.loc.gov/cgi-bin/wa?A2=ind1311&L=bibframe&T=0&P=5127
Hier wird klar, daß man tatsächlich fest entschlossen ist, den Weg
weg von MARC anzutreten. Und zwar nicht zu einem neuen Format,
mit gefälligeren Feldnummern und frischerer Aufmachung und Anordnung,
sondern "Linked data" heißt das Stichwort, und es hat auch schon die DNB
in seinen Bann gezogen:
 
http://www.dnb.de/DE/Service/DigitaleDienste/LinkedData/linkeddata_node.html
Man findet da sogar den DNB Gesamtdatenbestand incl. GND
und ZDB zum Downloaden in .rdf und .ttl - das sind ganz
neue, ganz andersartige Datendarstellungen. Die taugen dann
viel besser zum Verlinken quer durch's Netz und rund um den Globus,
und es sollen sich damit die zu einer Anfrage passenden Aussagen
über "Ressourcen" eigendynamisch zu einem jeweils passenden Gesamtbild 
fügen, statt wie bisher den Nutzer mit einheitlichen, festgefügten
Textblöcken abzuspeisen, wie es Datensätze nun mal sind. Anders
gesagt, nicht den MARC-Nummern ist der Garaus angesagt, sondern
dem altvertrauten Konzept des bibliographischen Datensatzes als Surrogat
für die Ressource, sozusagen eines elektrifizierten Katalogzettels,
der ja noch kaum aus dem Schatten des langen 19. Jahrhunderts
heraustritt.

Bis jetzt sind solchermaßen verbandelte Daten aber nur Derivate aus
Internformaten, die weiterhin MARC heißen oder nicht total anders
aussehen.
Das wird sich aber wohl ändern, sobald BIBFRAME einen
stabilen Kern hat, und das soll bald soweit sein. Dann soll es
auch, so das o.g. Papier, eine Software für Input und Bearbeitung von
vernetzten Daten geben, die bislang völlig fehlte, für den
praktischen Einsatz des Konzepts aber unentbehrlich sein wird.

2014, das deutet sich nunmehr klar an, wird ein Jahr des Auf-, Um- und 
vielleicht gar Durchbruchs, oder zumindest der Einleitung eines
solchen. An der Entschlossenheit der LC ist nicht mehr zu zweifeln, und
die hat nun mal die Führungsrolle. Auch hierzulande, nachdem
MARC21 eingeführt ist und Pica zu OCLC gehört (MAB wird seit
Juli nicht mehr geliefert). Und RDA soll um die Jahreswende
14/15 über uns kommen, aber das ist für Datentechniker eher
eine Marginalie. (Zumindest sind wir in der Hinsicht längst
schon viel weiter mit unseren Verknüpfungstechniken als es
die LC und ihre Gefolgschaft bis heute sind.)

Unklar ist noch, welche Wege die Softwareentwicklung gehen wird
in Bezug auf lokale Systeme. Die sind bisher in den USA und
bei deren speziellen Freunden so gut wie alle kommerziell,
von den Firmen weiß man aber zur Stunde noch nichts. An sich
wäre hier eine Chance für freie Entwickler, die auch in
Verbünden oder einzelnen Bibliotheken sitzen könnten. Soviel
Anfang war nie, ist man versucht zu zitieren. Berichtet wurde
schon über ein von zielführenden Verbünden angeschobenes
Projekt einer Art Daten-Wolkenbank, in der dann lokale Bestände
nicht mehr als solche isoliert aufscheinen, sondern dynamisch teilhaben
am virtuellen und volatilen Großen und Ganzen. Hier ein etwas neuerer
Bericht:
 
http://www.fu-berlin.de/presse/publikationen/tsp/2013/ts_20130928/ts_20130928_061/index.html

Was wird das alles für allegro-Anwender bedeuten? Keine
Ahnung, ehrlich gesagt, vor allem über den Zeithorizont kann man
im Moment kaum mehr als nur spekulieren. Denn auch eine Ablösung
der großen, MARC-basierten Systeme wird einige Zeit brauchen,
weil ja allenthalben sehr vieles dran- und davon abhängt.

Allegro-Entwickler, ob sie hier sitzen oder wo immer, müssen
sich unter diesen Vorzeichen aber fragen, ob und wann und wieviel sie
noch an Zeit stecken in Arbeiten an den bestehenden Programmen, oder
aber in ganz neue Pläne, Tools und Paradigmen. allegro-Daten jedenfalls,
das angesammelte Kapital also, werden gewiß überleben können, man
muß ihnen allerdings Flügel verpassen.

Aber nur keine Panik!
Selbst wenn nun sofort alle Arbeiten an allegro eingestellt würden
(Konjunktiv!), wird man mit der V33.5 bis 2022, so man Microsoft
glauben kann, unter Win'7 oder '8 arbeiten können. Alarmstimmung ist
daher nicht angesagt. Strategisches Denken darf und sollte immerhin
anheben. Zumindest ist man ab sofort gut beraten, ein wachsames Auge
zum Capitol Hill zu richten und ein anderes in die Wolken.

B.Eversberg









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