AW: 2 Fragen: MAB & alcarta / Quo vadis a-Schema
Thomas Berger
ThB at gymel.com
Do Mär 20 14:46:25 CET 2003
Lieber Herr Riexinger, liebe Liste,
> Herr Berger hat die Gerüchte konkretisiert, die Auslöser für meine zweite
> Frage
> waren. - Die klaren Worte Herrn Eversbergs zur Verwendung MABs/MARCs
> als Internformat bzw. zur Zukunft des a-Schemas liefern mir die wichtige
> Ent-
> scheidungshilfe.
Festzuhalten bleibt, dass (mit Anspruch auf Vollstaendigkeit)
MAB2, Pica3, MARC21 Formate sind, die existieren und unabhaengig
von Allegro gepflegt und weiterentwickelt werden. Eine der
Staerken von allegro *als Werkzeug* ist, mit diesen Formaten
weitestgehend treu operieren zu koennen, wenn es um die
Verarbeitung von Daten geht (ich persoenlich betreue
Bibliographie-Projekte, die reine PICA-Daten bzw. reine
USMARC-Daten verarbeiten und habe auch einmal einen
offline-Kartendruck mit reinen MAB2-Daten realsiert: In
diesen Faellen ist es wichtig, mit den Katalogisierern in der
Sprache der Feldnummern und sonstigen Absonderlichkeiten
ihres Systems zu kommunizieren, auch wenn der Preis dafuer
ist, eine komplexe Parameterdatei schlimmstenfalls von Grund
auf neu zu erstellen).
Den Allegro-Formaten A.CFG (Standardschema aka "konsolidiertes
Format", Abkoemmling von NMN) und HANS (Handschriften, Autographen,
Nachlaesse und Sammlungen, Nachzuegler der sogenannten PC-MAB's)
billige ich langfristige Ueberlebenschancen zu, unter anderem
auch weil sie von einigen bis vielen, miteinander in Kontakt
stehenden Anwendern genutzt werden und eine gewisse Formatpflege
(TU Braunschweig bzw. HANS-Anwendergemeinschaft) gewaehrleistet
ist.
Die Frage allerdings, welches Format 1.) fuer die Katalogisierung
2.) mit Allegro geeignet ist, ist durch den Hinweis "Austausch-
format vs. Internformat" nur zum Teil beantwortet (PICA3 ist ja
z.B. auch nur die "Externalisierung eines Internformats" ohne
den Anspruch, ein Austauschformat zu sein), insbesondere wenn
man bedenkt, dass in der USMARC-Welt seit jeher "in MARC"
gearbeitet wird und die neueren Aleph-Systeme in NRW und
Oesterreich neuerdings "in MAB2" arbeiten:
Austauschformate haben den Vorteil, dass sie von Gremien
verabschiedet werden und aufwendig dokumentiert sind. Sie
haben den Anspruch, alles transportieren zu koennen, was
an Daten so aufkommt und werden von Experten in einem
intensiven Beratungsprozess gepflegt und weiterentwickelt.
Dass das Format mehr kann und vorsieht, als man i.A. selber
nutzt, ist m.E. nur eine geringfuegige Irritation, unnuetzes
blendet man fuer sich schnell aus und es bleibt das beruhigende
Gefuehl, fuer unuebliches Material auf einen grossen Fundus
von vorbereiteten Datenfeldern zurueckgreifen zu koennen.
Zu sagen ist allerdings, dass die Experten auch stets
Interessenvertreter sind und "alles, was an Daten so aufkommt"
oft einer sehr einseitigen Weltsicht entspricht:
- MAB2 hat als Zweck die Lieferungen von zentralen Datenerstellern
(DDB, ekz, ZDB) an die Verbuende bzw. den Lieferungen von
Verbuenden an angeschlossene Lokalsysteme (oder andere
Verbuende). Betaetigt man sich nicht im solcherart definierten
Katalogisierungs-Mainstream, katalogisiert also etwa
verstaerkt Alte Drucke, Unselbstaendige Literatur, hat
eine Nicht-RSWK-Sacherschliessung, Signaturen mit Katalog-
Bedeutung etc., wird man oft merken, dass die in MAB
angelegten Loesungen unbefriedigend und "duenn" sind bzw.
die Auslagerung wichtiger Information in Lokal- oder
Exemplarsaetze der Software ziemliche Schwierigkeiten
bereitet.
Aussagen wie "MAB setzt RAK [gut] um" stehe ich sehr
kritisch gegenueber, ich bin mir nicht einmal sicher,
dass solch ein Aussagesatz semantisch korrekt ist, fuer
mich persoenlich ist noch nicht einmal der Wahrheitsgehalt
folgender Aussage klar: "MAB verhindert Katalogisierung
nach RAK".
- USMARC transportiert (Titel)daten im Zuge des Copy-Catalogings
in Lokalsysteme, wo sie meist ueberarbeitet werden. Die
Lokalsysteme realisieren oft Verknuepfungen (etwa Normdaten-
verknuepfungen, die in USMARC nicht vorgesehen sind) und andere
verarbeitungsrelevante Informationen in privaten Feldern
(USMARC sieht lokale Erweiterungen explizit vor), d.h.
"reine" MARC-Katalogisierung ist eigentlich bereits etwas
undefinierteres als "reine" MAB-Katalogisierung (weil MAB
Verarbeitungsparadigmen bereits eingebaut hat). Aber auch
eine "offizielle" Art der Katalogisierung von Unselbstaendiger
Literatur ist nicht gegeben und fuer eigene Sacherschliessung
gilt das fuer MAB gesagte.
- PICA3 als innerhalb eines Verbundes genutztes Format kenne
ich zugegebenermassen nicht sehr gut, es duerften aber die
oben fuer MAB2 gemachten Aussagen gelten: Verbund-offizioese
Mainstream-Elemente wie RSWK-Erschliessung sind "gut" in
die Titeldaten integriert, was man als Einzelbibliothek
u.U. "fuer sich alleine" (aber unbedingt) benoetigt, ist
eher an den Rand gedraengt.
- Die beiden von mir erwaehnten allegro-Formate sind format-
aesthetisch Kraut und Rueben, sie sind "gewachsen", d.h. Adhoc-
Aenderungen eines oder weniger Anwender werden proliferiert.
Mangels Interesse(?) werden Bezugnahmen auf obskure oder laengst
obsolete Standards nicht aktualisiert, der Einsatz der aktuell
"gaengigen" Standards also unnoetig erschwert. Diese Formate
sind in einem objektiven Sinn "nicht gut" und einen Zwang zu
lokalen Zusatzkategorien gibt es meist auch hier. Genau wie bei
den "grossen" Formaten gibt es jedoch eine Basis von Anwendern,
die "kategorientechnisch" dieselbe Sprache sprechen, d.h.
man kann mit anderen Katalogisierungsfragen diskutieren, ohne
ausschliesslich auf das "zettelige" und EDV-ferne Vokabular
des Regelwerks zurueckgreifen zu muessen. Die Erfahrung hat
gezeigt, dass die Allegro-Formate jedoch mehr "Spezialitaeten"
abdecken als die "universellen" Formate und damit fuer den
Einsatz in den Bibliotheken, die allegro einsetzen, i.A. besser
geeignet sind als andere. Umformuliert bedeutet dies, dass
die "universellen" Formate leider nicht so universell sind,
dass man ihren Einsatz in jeder (also auch der eigenen?)
Situation unhinterfragt bejahen koennte.
- Allen Formaten ist gemeinsam, dass sie beim Katalogisieren
Freiheiten und Interpretationsspielraeume lassen. Auch wenn
man ein "Austauschformat" als "Internformat" benutzt, ist
damit nicht gesagt, dass man dadurch Daten besser "austauschen"
kann als ohne. Homogene Daten kommen nach meiner Erfahrung
hoechstens durch rigide Redaktionsstrukturen, z.B. innerhalb
eines Bibliotheksverbunds oder innerhalb einer Biblithek
zustande, aber auch hier gibt es natuerlich stets "Altdaten".
Jedenfalls braucht es tendenziell pro Datenquelle eine
eigene Schnittstelle, wenn man das Optimum aus den Daten
ziehen moechte.
- Allen Formaten ist gemeinsam, dass sie sich ab und zu aendern.
Und dass mit solchen Aenderungen eine "Migrationsphase"
verbunden ist, in der einige die alte und andere die neue
Formatvariante nutzen. Ob - wie von Herrn Eversberg angedeutet -
der Zwang zum Vollzug einer Formataenderung durch ein
Softwareupdate etwas Schlechtes oder etwas Gutes ist, kann
ich nicht beurteilen, weil es sehr mit der Mentalitaet der
eigenen Institution zu tun hat. Wenn ich MAB als Internformat
habe, muss ich meine Daten umsetzen, wenn ich von MAB in
ein anderes Internformat umwandle, muss ich meine MAB-
Schnittstellen anpassen. Auch mein "anderes" Internformat
wird sich von Zeit zu Zeit aendern, manchmal von mir
begruesst, manchmal verflucht (weil ich intern fuer dasselbe
Problem eine andere Loesung realisiert habe), manchmal
betrifft es mich nicht: Illusorisch waere es jedoch zu denken,
dass das von mir benutzte Format "eingefroren" werden kann:
Ich denke, gerade die von 1999 bis jetzt andauernde Einfuehrung
der Windows-Module hat bei vielen Altanwendern dazu gefuehrt,
"ihre" Variante des A-Formats (die etwa noch "selbstausgedachte"
Unselbstaendigenverknuepfungen hatte) dem aktuellen Standard
anzupassen, auch wenn damit Datenumsetzungen verbunden
waren.
viele Gruesse
Thomas Berger
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